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Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Titel: Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft
Autoren: F. Paul Wilson
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kaum. Die Aussicht, Gia zu treffen, versetzte ihn in Hochstimmung.
    Bilder und Erinnerungsfetzen schossen ihm durch den Kopf. Gias breites Lächeln, ihre Augen, die Art, wie sich bei ihrem Lachen Falten über ihr ganzes Gesicht ausbreiteten, ihre Stimme, die Berührung ihrer Haut… auf all das hatte er in den letzten zwei Monaten verzichten müssen.
    Er erinnerte sich an seine ersten Gefühle für sie … Wie anders sie doch gewesen war. Mit fast jeder anderen Frau in seinem Leben hatte sich der wichtigste Teil der Beziehung für beide Parteien im Bett abgespielt. Mit Gia war das anders gewesen. Er wollte wissen, wie sie war. An die anderen Frauen hatte er immer nur gedacht, wenn er gerade nichts anderes zu tun hatte. Gia dagegen hatte die irritierende Angewohnheit, zu den unmöglichsten Augenblicken in seinen Gedanken aufzutauchen. Er wollte mit ihr zusammen kochen, wollte mit ihr essen, mit ihr Tennis spielen, mit ihr Filme ansehen, mit ihr Musik hören, mit ihr zusammen sein. Er hatte sich bei dem Wunsch ertappt, in sein Auto zu steigen und an ihrem Haus vorbeizufahren, nur um zu sehen, ob es noch da war. Er verabscheute Telefonate, und doch stellte er fest, dass er sie beim kleinsten Anlass anrief. Sie hatte ihn an der Angel, und es gefiel ihm.
    Fast ein Jahr lang war er jeden Morgen freudig aufgewacht, weil er wusste, dass er sie wahrscheinlich irgendwann im Laufe des Tages treffen würde. Ein hervorragendes Gefühl…
    Aber auch andere Erinnerungen drängten sich ungebeten in den Vordergrund: ihr Gesicht, als sie die Wahrheit über ihn erfahren hatte, ihr Schmerz und noch etwas Schlimmeres – Angst. Die Erkenntnis, dass Gia auch nur einen Moment lang in Erwägung ziehen konnte, er würde ihr etwas antun oder auch nur zulassen, dass ihr etwas geschah, hatte ihn schwer getroffen. Nichts, was er gesagt oder zu sagen versucht hatte, hatte ihre Einstellung geändert.
    Aber jetzt hatte er noch eine Chance bekommen. Er würde sie nicht vermasseln.
     
    8
     
    »Er kommt zu spät, nicht wahr, Mom?«
    Gia DiLauro hatte beide Hände auf die Schultern ihrer Tochter gelegt, während sie zusammen am Fenster im Foyer des Hauses standen und auf die Straße hinaussahen. Vicky vibrierte förmlich vor Aufregung.
    »Noch nicht. Beinahe, aber noch nicht ganz.«
    »Ich hoffe, er hat es nicht vergessen.«
    »Das wird er nicht. Ich bin sicher, das wird er nicht.« Obwohl es mir lieber wäre, wenn er es täte.
    Es war zwei Monate her, seit sie Jack verlassen hatte. Sie gewöhnte sich an die Situation. Manchmal verging ein ganzer Tag, ohne dass sie an ihn dachte. Sie hatte wieder da angefangen, wo sie aufgehört hatte. Es gab sogar jemand Neues, der sich in ihr Leben tastete.
    Warum konnte die Vergangenheit nicht vorbei und begraben sein?
    Zum Beispiel ihr Ex-Ehemann. Nach der Scheidung wollte sie alle Verbindungen zur Familie Westphalen abbrechen. Sie hatte sogar ihren Mädchennamen wieder angenommen. Aber da waren Richards Tanten vor. Sie beteten Vicky an und nutzten jede Gelegenheit, Gia und ihre Tochter zum Sutton Square herüberzulocken. Zuerst hatte Gia sich dagegen gesträubt, aber ihre ehrliche Zuneigung zu Vicky, ihre inständigen Bitten und die Tatsache, dass sie sich über ihren Neffen keinerlei Illusionen machten – »ein Flegel und ein Grobian«, wie Nellie ihn nach ihrem dritten Glas Sherry immer zu charakterisieren pflegte –, stimmten sie schließlich um. Sutton Square Nr. 8 war fast wie ein zweites Zuhause für sie geworden. Die Tanten hatten sogar extra für Vicky eine Schaukel und ein Spielhaus aus Holz im Garten aufbauen lassen.
    Gia war daher sofort gekommen, als Nellie ihr Dienstagmorgen völlig aufgelöst am Telefon berichtet hatte, dass Grace verschwunden war. Und war seitdem bei ihr geblieben.
    Grace Westphalen. So eine nette alte Dame. Gia konnte sich nicht vorstellen, dass jemand der alten Dame etwas antun wollte. Es gab keine Lösegeldforderungen. Aber wo war sie dann? Ihr Verschwinden ängstigte Gia, und sie war voller Mitgefühl für Nellie, die sich zwar nichts anmerken ließ, die aber furchtbar litt, wie Gia sehr wohl wusste. Nur aus Zuneigung zu Nellie und wegen ihrer Sorge um Grace hatte sie sich überreden lassen, Jack anzurufen. Nicht dass er etwas ausrichten konnte. Nach dem, was sie über ihn erfahren hatte, was dies hier definitiv nicht sein Metier. Aber Nellie war verzweifelt, und es war das Mindeste, was sie tun konnte, um sie zu beruhigen.
    Gia redete sich ein, sie stünde hier am Fenster,
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