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West-östlicher Divan (German Edition)

West-östlicher Divan (German Edition)

Titel: West-östlicher Divan (German Edition)
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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Ketten;
Da ist das Liebchen doppelt gefährdet;
Deshalb sie sich oft so seltsam gebärdet.
    Wenn der Körper ein Kerker ist
    Wenn der Körper ein Kerker ist,
Warum nur der Kerker so durstig ist?
Seele befindet sich wohl darinnen
Und bliebe gern vergnügt bei Sinnen,
Nun aber soll eine Flasche Wein,
Frisch eine nach der andern herein.
Seele will's nicht länger ertragen,
Sie an der Türe in Stücke schlagen.
    Dem Kellner
    Setze mir nicht, du Grobian,
Mir den Krug so derb vor die Nase!
Wer mir Wein bringt, sehe mich freundlich an,
Sonst trübt sich der Eilfer im Glase.
    Dem Schenken
    Du zierlicher Knabe, du komm herein!
Was stehst du denn da auf der Schwelle?
Du sollst mir künftig der Schenke sein;
Jeder Wein ist schmackhaft und helle.
    Schenke spricht
    Du mit deinen braunen Locken,
Geh mir weg, verschmitzte Dirne!
Schenk ich meinem Herrn zu Danke,
Nun, so küßt er mir die Stirne.
    Aber du, ich wollte wetten,
Bist mir nicht damit zufrieden,
Deine Wangen, deine Brüste
Werden meinen Freund ermüden.
    Glaubst du wohl mich zu betrügen,
Daß du jetzt verschämt entweichest?
Auf der Schwelle will ich liegen
Und erwachen, wenn du schleichest.
    Sie haben wegen der Trunkenheit
    Sie haben wegen der Trunkenheit
Vielfältig uns verklagt
Und haben von unsrer Trunkenheit
Lange nicht genug gesagt.
Gewöhnlich der Betrunkenheit
Erliegt man, bis es tagt;
Doch hat mich meine Betrunkenheit
In der Nacht umhergejagt.
Es ist die Liebestrunkenheit,
Die mich erbärmlich plagt,
Von Tag zu Nacht, von Nacht zu Tag
In meinem Herzen zagt,
Dem Herzen, das in Trunkenheit
Der Lieder schwillt und ragt,
Daß keine nüchterne Trunkenheit,
Sich gleich zu heben wagt.
Daß keine nüchterne Trunkenheit
Ob's nachtet oder tagt,
Die göttlichste Betrunkenheit,
Die mich entzückt und plagt.
    Du kleiner Schelm, du!
    Du kleiner Schelm, du!
Daß ich mir bewußt sei,
Darauf kommt es überall an.
Und so erfreu ich mich
Auch deiner Gegenwart,
Du Allerliebster,
Obgleich betrunken.
    Was in der Schenke waren heute
    Was in der Schenke waren heute
Am frühsten Morgen für Tumulte!
Der Wirt und Mädchen! Fackeln, Leute!
Was gab's für Händel, für Insulte!
Die Flöte klang, die Trommel scholl!
Es war ein wüstes Wesen—
Doch bin ich, lust- und liebevoll,
Auch selbst dabei gewesen.
    Daß ich von Sitte nichts gelernt,
Darüber tadelt mich ein jeder;
Doch bleib ich weislich weit entfernt
Vom Streit der Schulen und Katheder.
    Schenke
    Welch ein Zustand! Herr, so späte
Schleichst du heut aus deiner Kammer;
Perser nennen's Bidamag buden,
Deutsche sagen Katzenjammer.
    Dichter
    Laß mich jetzt, geliebter Knabe!
Mir will nicht die Welt gefallen,
Nicht der Schein, der Duft der Rose,
Nicht der Sang der Nachtigallen.
    Schenke
    Eben das will ich behandeln,
Und ich denk, es soll mir klecken,
Hier, genieß die frischen Mandeln,
Und der Wein wird wieder schmecken.
    Dann will ich auf der Terrasse
Dich mit frischen Lüften tränken;
Wie ich dich ins Auge fasse,
Gibst du einen Kuß dem Schenken.
    Schau, die Welt ist keine Höhle,
Immer reich an Brut und Nestern;
Rosenduft und Rosenöle!
Bulbul auch, sie singt wie gestern.
    Jene garstige Vettel
    Jene garstige Vettel,
Die buhlerische,
Welt heißt man sie,
Mich hat sie betrogen,
Wie die übrigen alle.
Glaube nahm sie mir weg,
Dann die Hoffnung!
Nun wollte sie
An die Liebe;
Da riß ich aus.
Den geretteten Schatz
Für ewig zu sichern,
Teilt ich ihn weislich
Zwischen Suleika und Saki.
Jedes der beiden
Beeifert sich um die Wette,
Höhere Zinsen zu entrichten.
Und ich bin reicher als je,
Den Glauben hab ich wieder!
An ihre Liebe den Glauben!
Er, im Becher, gewährt mir
Herrliches Gefühl der Gegenwart.
Was will da die Hoffnung!
    Schenke
    Heute hast du gut gegessen,
Doch du hast noch mehr getrunken;
Was du bei dem Mahl vergessen,
Ist in diesen Napf gesunken.
    Sieh, das nennen wir ein Schwänchen,
Wie's dem satten Gast gelüstet;
Dieses bring ich meinem Schwane,
Der sich auf den Wellen brüstet.
    Doch vom Singschwan will man wissen,
Daß er sich zu Grabe läutet;
Laß mich jedes Lied vermissen,
Wenn es auf dein Ende deutet!
    Schenke
    Nennen dich den großen Dichter,
Wenn dich auf dem Markte zeigest;
Gerne hör ich, wenn du singest,
Und ich horche, wenn du schweigest.
    Doch ich liebe dich noch lieber,
Wenn du küssest zum Erinnern;
Denn die Worte gehn vorüber,
Und der Kuß, der bleibt im Innern.
    Reim auf Reim will was bedeuten.
Besser ist es, viel zu denken.
Singe du den andern Leuten
Und verstumme mit dem Schenken!
    Dichter
    Schenke, komm!
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