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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht
Autoren: Rebecca Ryman
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Mal nehmen! Das sollte dir eine Lehre sein. Du bist aber auch leichtsinnig! Ach du meine Güte – du siehst vielleicht aus!« Sie bog sich vor Lachen.
    »Es reicht, Estelle!« fuhr ihre Mutter sie an. »Ich kann an diesem bedauerlichen Schauspiel nichts Lustiges finden. Hilf deiner Cousine die Treppe hinauf und kümmere dich um ihr Bad, ja? Nimm die Jodtinktur, Verbandszeug und Watte aus dem Schrank und laß aus der Teeküche kochendes Wasser bringen. Ich bin in ein paar Minuten oben.« Sie klatschte in die Hände und erteilte den Dienstboten energisch Befehle. »Los, los, alle zurück an die Arbeit, juldee, juldee, marsch, marsch. Rehman, laß vom Wasserträger vier Eimer aus dem Hammam hinaufbringen. Du dort, halt keine Maulaffen feil und bring Jasmine zurück in den Stall. Wenn sie sich am Vorderbein verletzt hat, bekommst du es mit dem Sahib zu tun, das weißt du genau. Aja, bring die Kleider der Missy Mem auf der Stelle zum Dhobi. Sie müssen gekocht und gewaschen werden …«
    Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, eilte Lady Bridget in die Küche zurück. Babulal, das alte Schlitzohr, hatte sich für seine schrecklich große Sippe bestimmt schon den Turban mit allem vollgestopft, was ihm in die Hände gefallen war. Und Josh würde toben, wenn der Portwein wieder weniger geworden war. Es war die vorletzte Flasche, und mit der vor einem Jahr für Estelles Ball aufgegebenen Bestellung konnte man erst in zwei Wochen rechnen. Olivia hatte sich Gott sei Dank nur leicht verletzt. Alles andere konnte noch ein paar Minuten warten, entschied sie grimmig und eilte ins Küchenhaus.
    Und das war wieder einmal ein Beweis dafür, hätte Sir Joshua vermutlich bemerkt, daß Lady Bridget an ihren Prioritäten im Leben kaum einen Zweifel ließ.
    *
    »Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, daß es nicht ratsam ist, bei der Hitze tagsüber auszureiten, und erst recht nicht ohne Begleitung.«
    Olivia lag sauber gewaschen und anständig gekleidet auf einer Chaiselongue im oberen Salon. Die Haut glänzte nach dem Bad rosig. Sie trug ein weiches, diesmal olivgrün und aprikosenfarbiges Kattunkleid, das die anstößigen Knie bedeckte, die gesäubert, behandelt und verbunden worden waren. Ihre schweren, kastanienroten Haare fielen wie eine Mähne auf das unter ihrem Kopf zusammengelegte Handtuch. Auch durch ihr Haar erinnerte sie an ein wildes Füllen. Die schmutzigen Reitkleider waren zum Dhobi -Haus in den Dienstbotenquartieren gebracht worden. Einer der Gärtner hatte sich hocherfreut den Hut aus dem Wasser geholt, und der Stallbursche meldete, Jasmines Vorderbein sei unverletzt. Aber damit war die Angelegenheit keinesfalls erledigt, denn Lady Bridget hatte noch lange nicht alles gesagt, was sie sagen wollte.
    Olivia seufzte. »Ich versichere dir, die Hitze macht mir nichts aus, Tante Bridget. Und ich kenne die Stadt inzwischen so gut, daß ich keinen Begleiter brauche.«
    »Du bist die Hitze in den Tropen nicht gewöhnt, Olivia. Die Hitze hier kann einer Frau den zarten weißen Teint ruinieren und zu schrecklichen Hautleiden führen.« Schon während dieser Worte wurde Lady Bridget unsicher. Olivias gesunder, rosiger Teint hatte für europäische Verhältnisse vielleicht nicht ganz den richtigen Farbton, aber auf jeden Fall wirkte er zart. »Und vergiß nicht«, fügte sie rasch hinzu, »das hätte dir auch anderswo zustoßen können, und dann wärst du den Eingeborenen ausgeliefert gewesen.«
    Estelle saß am Fenster und beschäftigte sich mit ihrem Aquarell, einem Stilleben mit Früchten in einer Schale, die sie regelmäßig leer aß. Sie schnaubte: »Papa sagt, Olivia hat den besten Sitz, den er je bei einer Frau gesehen hat. Sie ist nur gestürzt, weil sie eigensinnig war.«
    Ein Blick ihrer Mutter ließ sie verstummen. »Ich weiß, daß Olivia gut reitet, aber das tut nichts zur Sache. Keine anständige Europäerin hier riskiert Unannehmlichkeiten, indem sie sich allein aus dem Haus wagt!«
    »Aber sie ist keine Europäerin und dort, wo Olivia herkommt, lernen die Frauen, auf sich selbst aufzupassen. Sie werden nicht am Schürzenzipfel ihrer Mutter festgebunden.«
    Ehe der ewige Streit wieder aufflammen konnte, erklärte Olivia hastig: »Ich bin nur zum Ufer hinuntergeritten, Tante Bridget, und ich hatte nicht die Absicht, lange zu bleiben.«
    »Ich habe nicht an deinen Absichten gezweifelt, liebes Kind«, seufzte ihre Tante, »sondern nur an deiner Vorgehensweise. Für eine Frau ist es in Indien zu unsicher, allein
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