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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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womöglich sofort nach Italien in ein einsames Bergdorf verschleppen, und du müsstest fortan mit Ziegen leben, bis sich einer von den groben Bauern deiner erbarmt. Darauf sind wir wohl beide nicht scharf. Dein gutes Verhältnis zu Mike könntest du dir auch erst mal abschminken.«
    »Was ist die zweite Möglichkeit?«
    »Wir ziehen alles durch wie geplant, ignorieren die Kuh und hoffen, dass sie sich benimmt. Mike ist ja da und würde es mitbekommen, wenn sie Feuer legen oder eine Bombe zünden würde.«
    »Toll, wie optimistisch du bist«, knirsche ich niedergeschlagen.
    »Ich sag ja nur. Mike ist dein Gast. Entscheiden musst es also du.«
    »Hm.« Ich denke nach. Nach einer Riesenszene ist mir tatsächlich nicht. Und so kurz, wie die beiden zusammen sind, wird Mike sie sicher nicht aus den Augen lassen. Mal davon abgesehen: Was könnte Franziska schon groß anstellen? Vielleicht sich das Mikro schnappen und Mark vor versammelter Mannschaft angiften – aber wenn wir sie rausschmeißen, täte sie das erst recht. Und wer weiß, vielleicht ist sie ja auch gar nicht hier, um unsere Hochzeit zu sabotieren. Vielleicht will sie – wie wir – einfach nur einen schönen Abend haben. Und Mike ist schließlich ein guter Fang.
    »Okay«, sage ich also. »Wir ignorieren sie. Und hoffen das Beste.«
    »Sicher?«
    »Nein. Natürlich nicht. Und erfreut bin ich auch nicht. Aber es ist wahrscheinlich das geringere Übel.« Ich lehne mich an meinen Mann. »Und jetzt genießen wir unsere Feier. Trotzdem!«
    Hinter dem nächsten Hügel kommt bereits das stillgelegte Wasserwerk in Sicht, von dem leise Swingmusik herüberweht. Im Hof stehen mit bunten Bändern dekorierte Buchsbäume und ein alter Springbrunnen, in dem Rosenblätter schwimmen. Eine Band spielt Girl from Ipanema , als wir aus der Kutsche steigen.
    Eine Reihe weiß gekleideter Kellner schenkt Champagner für unsere Gäste aus, die dank modernerer Fortbewegungsmittel lange vor uns da waren. Sie scheinen die Zeit genutzt zu haben: Einige sind schon ganz gut dabei.
    »Schwiegertochter!« Marks Vater kommt mit drei Gläsern in einer Hand auf uns zu und fällt mir erst mal um den Hals. Rasch nehmen wir ihm zwei Gläser ab.
    »Der Empfang ist fantastisch. Alles ist fantastisch!«, verkündet Richard euphorisch.
    »Schön«, freut sich Mark. »Hast du auch ein paar von den Canapés probiert? Du solltest eine Grundlage schaffen.«
    »Ach was! Papperlapapp!« Richard lacht. »Das bisschen Essen kann ich auch trinken.«
    Ich spähe an ihm vorbei und sehe, wie zwei meiner italienischen Cousins immer wieder mit Rebekka und Judith anstoßen. Ihre Gläser leeren sich rasant. Und dann sehe ich meine Nonna mit einem Glas, in dem sicher kein Champagner ist. Sondern … Wasser? Ich halte sie am Arm fest, als sie an mir vorbeigeht. »Nonna, geht’s dir nicht gut? Warum trinkst du Wasser?«
    »Kein Wasser. Gin Tonic. Ich kann das Blubberzeug nicht leiden«, erklärt sie.
    Oje. Es ist drei Uhr nachmittags, Franziska ist anwesend und unsere Familien sind schon leicht knülle. Ich trinke mein Glas in einem Zug leer. Kann ja wohl nicht angehen, dass ausgerechnet die Braut am Hochzeitstag die Nüchternste ist.
    Mark
    Nicht zu tief ins Glas schauen, bloß nicht betrunken werden, lieber mal das ein oder andere Erfrischungsgetränk auslassen. Bestimmt gibt es im Heiratsalmanach Regeln, die festlegen, wie viel Alkohol Braut und Bräutigam auf ihrer Hochzeitsfeier zu sich nehmen dürfen. Bislang kenne ich nur die Storys vom besoffenen Onkel, der sich zu vorgerückter Stunde für DJ Ötzi hält und lauthals Hey Baby grölt. »Nein, danke«, lehne ich also höflich jedes Mal ab, wenn der Kellner neben mir auftaucht. Dafür greift die Nonna umso tüchtiger zu. Vermutlich ist das so Brauch in Italien – bloß nie zu wenig trinken. Vor allem nicht als Nonna. Bringt Unglück oder so. »Salute!«, wünsche ich. Sie weicht mir nicht mehr von der Seite. Dass Franziska sich dezent im Hintergrund hält, aber die Nonna sich mir so an den Hals wirft, hätte ich nicht erwartet.
    Für den etwas weitläufigeren Bekanntenkreis könnte es den Anschein haben, als wäre die Nonna meine Braut und nicht Luisa. Ständig umarmt oder küsst sie mich oder kneift mir in die Wange oder legt mir den Kopf auf die Brust. Gleichzeitig versucht sie Luisa mit dem Ellbogen wegzudrängen. »Come il nonno«, jubelt sie in einer Tour. »Il mio caro Marco.«
    Als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben habe, den Tag mit meiner Braut zu
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