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Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Titel: Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)
Autoren: Fulvio Ervas
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aufgescheuerten Hintern gestorben.
    Da es keine Formel zur Berechnung der angemessenen Menge Socken gibt, hatte ich vom vorgesehenen Haufen nur die Hälfte eingepackt, obwohl schmutzige Socken Menschen einsam machen können – womöglich sind wir an einem schwierigen Punkt unserer Reise, fragen Passanten, ob wir hier oder da lang fahren müssen, jemand nähert sich, fällt wegen der Ausdünstungen in Ohnmacht, und wir wissen im entscheidenden Moment nicht weiter.
    Ich konnte auch nur die Hälfte der Jeans einpacken, die meine Frau bereitgelegt hatte, denn Frauen haben zwar einen wunderbaren Sinn fürs Praktische und sorgen dafür, dass du nichts vergisst, konzipieren das Gepäck aber wie für die Tasche von Mary Poppins und ziehen sechs Paar Jeans einem GPS -Gerät vor. T-Shirts kann man nie zu viel haben, auch Andreas Zauberstab war mit von der Partie, »Wozu brauchst du denn den Zauberstab?«, fragte ich ihn. »Zauberstab, Zauberstab«, überzeugte er mich, ein bisschen Aufsehen und Magie konnten ja nicht schaden, Windjacken, okay, Pantoffeln, ich sprang vom einen zum anderen, von oben nach unten, Hauptsache, alles Notwendige war dabei, Duschgel, Zahnbürsten, Fotoapparat, Handy und Computer, Pass, Kreditkarten und etwas Geld. Stopp, jetzt ging nichts mehr rein. Was fehlte, würden wir unterwegs kaufen.
    Beim Einschlafen dachte ich über Sinn und Zweck dieser Reise nach. Aus dem Urteil der anderen hörte ich heraus, dass manche sie wohl für Angeberei hielten, für zu waghalsig. Vielleicht hatten sie recht.
    Vielleicht war es aber auch Andrea, der mich mitnahm? Mancher Aufbruch hat eine so geheimnisvolle Triebkraft, dass man nicht begreift, was da innerlich vor sich geht, zwischen Kopf und Bauch. Also reisen, um zu begreifen…

Unterwegs
     
    Auch zu solchen Reisen bricht man schließlich irgendwann auf. Ohne Trara, ohne Fanfaren. Andrea umarmt seine Mama, drückt sie, lässt sie los, dann küsst er sie. Sie schärft ihm ein, niemanden zu umarmen, niemandem an den Bauch zu fassen.
    »Das mögen die Amerikaner nicht… Da werden sie böse und schießen.«
    Wir sehen uns an und denken beide daran, wie wir damals mehrere T-Shirts gekauft und draufgeschrieben hatten: »Wenn ich dich umarme, hab keine Angst«. In der Schule empfand Andrea nämlich ständig das Bedürfnis, seine Mitschüler fest zu umarmen, und wir hofften, damit allen Beteiligten das Leben zu erleichtern. Die Schrift war weder zu groß noch zu klein: Es sollte ja keine drohende Warnung sein und noch viel weniger eine flehentliche Bitte. Einfach eine Empfehlung, und außerdem waren die bunten T-Shirts wirklich sehr schön. Das Anziehen war ein wenig mühsam. Wenn Andrea die Arme hob, blieb er stocksteif stehen, man musste ihm das T-Shirt Zentimeter für Zentimeter überstreifen. Wir hatten vier verschiedene Farben gekauft: weiß, blau, rot und orange. So könnten wir abwechseln, dachten wir, doch es kam vor, dass Andrea tagelang nur das orangefarbene tragen wollte oder nur das blaue. Deshalb mussten wir noch welche nachkaufen, so dass sich in seinem Schrank die bunten T-Shirts immer höher stapelten.
    »Und wascht euch ordentlich, jeden Quadratzentimeter. Ist das klar?«
    »Und esst keine Schweinereien.«
    »Hey, verlier ihn nicht. Und geh selbst nicht verloren«, sagt meine Frau zu mir, und ihre Augen glänzen, halb vor Tränen und halb vor Stolz.
    Der Bruder weicht dem Biss aus, er kennt Andreas Überschwenglichkeit von früheren Gelegenheiten. Sie fotografierten uns nebeneinander am Check-in. Andrea legt den Kopf auf meine Schulter. Ich weiß, dass er sich seine Gedanken macht. Es arbeitet in ihm, ich fühle es.
    Wir passieren die Sicherheitskontrolle: Ich lege den Computer in die Plastikwanne. Andrea sieht es und rückt ihn ordentlich gerade. Er stürmt durch den Metalldetektor, der Polizist hält ihn auf, Andrea versucht, ihn zu umarmen – ein Ballett. Ich erkläre die Lage. Alles in Ordnung. Dann schießt Andrea los und stellt sich an eine der großen Glasscheiben, um ein draußen rangierendes Flugzeug zu beobachten. »Bald dürfen wir auch einsteigen«, sage ich.
    Während wir startbereit auf unseren Plätzen sitzen, fühle ich mich auf einmal verwirrt und betrachte die Bordkabine und die anderen Passagiere wie von weit weg. Sollte ich uns doch überschätzt haben? Andrea spielt mit dem Sicherheitsgurt, dann schließt er ihn ruckartig. Los geht’s!
    »Andrea, versprichst du mir, dass du immer in meiner Nähe bleibst, dass du auf mich hörst?
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