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Wellenzauber

Wellenzauber

Titel: Wellenzauber
Autoren: Brigitte Johann
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konnte, was sie später möglicherweise bereut hätte, wurdedie Tür geöffnet, und die leitende Hebamme Helga Warnecke kam herein. »Ich löse dich ab, Sina. Höchste Zeit, dass du Feierabend machst.«
    »Hoffentlich sind Sie ein bisschen kompetenter«, sagte Maries Mutter. »Die Kleine hier wollte von meiner Tochter verlangen …«
    »Ich verbitte mir diesen abfälligen Ton gegenüber meiner Mitarbeiterin!« Helgas Ton war scharf und wirkte sofort. Selbst Marie vergaß zu jammern.
    Lächelnd verließ Sina das Krankenzimmer.
    »Häschen? Sie hat ihre Tochter wirklich Häschen genannt?« Kerstin lachte laut heraus, und nun, da der Stress von ihr abgefallen war, konnte Sina mitlachen. Die beiden Kolleginnen saßen zusammen in der Cafeteria der Klinik. Sina trank ein Latte Macchiato, bevor sie nach Hause fuhr, Kerstin machte sich mit einem doppelten Espresso fit für den Tagesdienst. Jetzt griff sie nach einem Tütchen mit Süßstoff, überlegte es sich aber noch anders und ließ zwei Zuckerwürfel in ihre Tasse fallen. »Nur gut, dass die Warnecke ihr gleich ordentlich die Meinung gegeigt hat.«
    Sina nickte und fragte dann: »Diät beendet?«
    Kerstin war ein Jahr jünger als Sina und kaum größer als sie. Aber im Vergleich zu der viel zu dünnen Freundin kämpfte sie seit der Pubertät mit ihrem Gewicht. Es gab keine Abmagerungskur, die sie nicht schon ausprobiert hätte, und sie hatte in ihrem Leben schon mehr Diäten abgebrochen als andere Frauen von Mitte zwanzig Beziehungen beendet hatten.
    »Der Mensch braucht einfach seine Zuckerration. Irgendwie muss ich ja meinen Single-Frust kompensieren. Wennallerdings ein gewisser göttlicher Doktor endlich von seinem Olymp herabsteigen würde und …«
    »Achtung«, raunte Sina ihr zu. »Da steigt er gerade herab.«
    Beladen mit einem Frühstückstablett, auf dem sich ein halbes Dutzend duftende Hörnchen stapelte, schlängelte sich Dr. Florian Weiß durch die Tische direkt auf sie zu. Er war Ende zwanzig, Assistenzart und genoss die Aufmerksamkeit sämtlicher weiblichen Angestellten von Sankt Marien. Was eindeutig daran lag, dass er mit seiner Sportlerfigur, den stets ein wenig verwuschelten blonden Locken und seinem besonderen, leicht verträumt wirkendem Blick nicht wie ein Arzt aussah. Eher wie ein Schauspieler, der einen Doktor verkörperte. Die jüngeren Frauen in der Klinik schmachteten ihn an, die älteren entwickelten mütterliche Gefühle, dazwischen gab es eine Art Grauzone mit Hebammen, Krankenschwestern und sogar Ärztinnen, die sich nicht recht entscheiden konnten, zu welcher Gruppe sie gehören wollten.
    »Wie reizend«, sagte er. »Die Damen Paulsen und Gercke.« Er schaute von Sina zu Kerstin. »Darf ich um die Ehre bitten, mich zu euch zu setzen?«
    »Darfst du«, fuhr ihm Kerstin ins Wort. »Aber nur, wenn du nicht so geschwollen rumschwafelst.« Sie atmete tief ein und deutete auf die Hörnchen. »Willst du die alle alleine aufessen?«
    »Natürlich nicht. Bedien dich.«
    Sein Blick kehrte zu Sina zurück, und sie bemerkte die stille Sehnsucht darin. Augenblicklich versteifte sie sich. Florian war ein netter Kerl, aber sie empfand nichts für ihn.
    »Magst du auch etwas essen? Du siehst ziemlich müde aus.«
    »Nein, danke«, entgegnete sie schnell. »Ich habe keinen Hunger.«
    »Sina hat nie Hunger«, sagte Kerstin mit vollen Backen. »Und ganz besonders nicht, wenn …«
    »Kerstin!«
    »Ups! ’tschuldigung.«
    »Wenn?«, hakte Florian nach. »Gibt es da ein süßes Geheimnis, das ich kennen sollte?«
    »Quatsch.« Sina wurde rot und warf ihrer Kollegin einen scharfen Blick zu. »Ich …«
    Genau in diesem Moment ging Florians Piepser los. »Verflucht. Immer wenn es interessant wird. Tut mir leid, Mädels, ich muss.« Er trank schnell einen Schluck Orangensaft, stopfte sich ein halbes Hörnchen in den Mund und verließ im Laufschritt die Cafeteria.
    »Schau dir bloß diesen unglaublich breiten Rücken an«, sagte Kerstin laut seufzend. »Es ist eine Schande, so etwas Prachtvolles unter einem weißen Kittel zu verstecken.«
    Sina schwieg. Sie war der Freundin immer noch böse.
    Ein weiteres Gebäckstück wanderte auf Kerstins Teller. »Ich habe mich doch schon entschuldigt. Ist mir halt so rausgerutscht. Und was hätte ich schon verraten können? Ich weiß doch selbst nichts. Nur, dass dir immer dann der Appetit vergeht, wenn du an deinen Verflossenen denken musst.«
    »Federico ist nicht mein Verflossener!«, rief Sina so laut, dass sich an den
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