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Weichei: Roman (German Edition)

Weichei: Roman (German Edition)

Titel: Weichei: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Boltz
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Nicht etwa, um noch Sachen abzuholen oder mit ihr zu sprechen. Nein, dafür fehlt mir schlicht und einfach der Mut. Ich fahre ganz einfach aus reiner Gewohnheit dorthin. Meist schaue ich direkt nach meiner Spätschicht an der Tankstelle bei ihr vorbei und parke den Wagen am Straßenrand mit Blick auf ihre Wohnung. Neben mir sitzt Shrek immer angeschnallt auf dem Beifahrersitz. Wir versuchen, uns in dieser schweren Zeit einfach gegenseitig ein wenig Halt zu geben. Doch noch scheint er unter einem posttraumatischen Schock zu stehen. Kein Wort kommt ihm seither über die Lippen, und seine leeren Blicke wandern ins Nichts. Ich hatte ihn Steffi auf dem Schützenfest am Losstand erkämpft. Es war nach einem Streit, und ich wollte sie wieder gnädig stimmen. Sie fand ihn so süß, da er sie an mich erinnerte. Der Oger und ich wären beide so lieb und hätten den gleichen Gesichtsausdruck, wenn wir sauer wären.
    Na super!
    Wer will schon wie eine fette Comicfigur aus dem Wald aussehen? Und wer will schon mit jemandem verglichen werden, der Trompeten statt Ohren hat?
    Außerdem ist lieb auch kein Attribut, mit dem man in der Frauenwelt Bonusmeilen sammelt. Nein, man muss ein Arschloch sein. Oder wenigstens so ein Pseudomacho wie ihr TV-Liebling Til Schweiger. Er war der Auslöser des damaligen Streits. Wenn ich den Namen nur höre, wird mir schon schlecht. Ständig diese Schwärmerei. Til hier, Til da, der Til ist ja sooo süß …
    Ich erinnere mich noch genau. Wir hatten zwei seiner Filme auf DVD geschaut. Keinohrhase und Zweiohrkücken . Was sind das denn bitte schön für Titel? Hört sich an wie das Gestammel bei einem Deutschtest auf dem Einbürgerungsamt.
    Jedenfalls haben wir uns so gezofft, weil er in einer Szene so süß besoffen in Frauenkleidern rumgefallen ist. Ich nannte ihn eine nuschelnde Machotranse, sie ihn einfach nur mega-sexy. Ich fragte, was denn daran so maskulin sei, und machte den Vorschlag, dass man den Film wegen seiner Unmännlichkeit besser in Keineihase umbenennen sollte. Erst keifte sie zurück, dass ich keine Ahnung von Filmen hätte und selbst ein absolutes Weichei sei. Dann knallte sie die Tür zum Schlafzimmer zu und bestrafte mich mit Rede- und Sexentzug. Somit war ich dann auch ein Schweiger, und zwar ganze vierzehn Tage lang.
    Dann kam die Dippemess, das Frankfurter Schützenfest. Und ich? Was habe ich Trottel gemacht? Ich habe damals mein halbes Urlaubsgeld in einen Putzeimer voller Lose investiert, bis ich die scheiß Figurenserie endlich komplett hatte und der schnauzbärtige Typ auf dem Wagen nach einer Stunde seine Glocke läutete und über sein Mikrofon verkündete: »Auf geht’s, dabei sein. Hier lacht das Glück. Gelb, grün, lila, blau, schwarz, weiß und rot. Wer die kompletten sieben Zwerge zusammenhat, gewinnt mit freier Auswahl. DING DING DING DING! Und schon wieder haben wir einen Hauptgewinn.«
    Selbst mit meiner Kurzsichtigkeit – 1,9 Dioptrien – hätte ich wahrscheinlich weniger am Schießstand für dieses Stofftier auf den Tisch legen müssen als bei diesem Halsabschneider von Losverkäufer. Jedenfalls vertrugen wir uns wieder, und Shrek saß seit diesem Frühjahrstag auf einem Sonderplatz direkt neben ihrem Bett. Bis zu meinem Gefühls-Pearl-Harbour. Jetzt sitzt Trompetenohr noch stummer als sonst neben mir und schweigt mich an. Steffi hatte recht. Shrek und ich sind uns in der Tat sehr ähnlich. Beides keine Til Schweigers oder Prince Charmings, sondern tatsächlich Weicheier, die von der Gesellschaft in den Wald geschickt wurden, um dort ihr tristes Leben zu fristen. Nur hat man mir nun meine Fiona genommen.
    Oben in Steffis Wohnung geht gerade das Licht im Schlafzimmer an und kurz darauf wieder aus. Was will sie nur von diesem Piloten-Til-Schweiger-Ersatz? Denn eins ist doch klar: So leicht gebe ich mich nicht geschlagen. Ich werde ihr schon zeigen, was für ein geiler Typ ich bin. Früher oder später wird sie auf Knien rutschend darum flehen, dass ich wieder zurückkomme. Früher oder später…
    Jetzt sitze ich allerdings erst mal mit gebrochenem Herzen in einem Auto am Straßenrand und schaue hinauf zu ihrer Wohnung, in der sie vor exakt dreiundvierzig Minuten und achtunddreißig Sekunden angekommen ist. Gerade überlege ich, ob ich nicht doch einfach klingeln soll, um sie vor weiteren Fehlern zu bewahren, als ein anthrazitfarbener Geländewagen vor der Tür hält und ein bekannter Typ aussteigt: braun gebranntes Gesicht inklusive 1a-Gebiss.
    Es ist
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