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Weichei: Roman (German Edition)

Weichei: Roman (German Edition)

Titel: Weichei: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Boltz
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Claus, Claus mit C.
    Mit seinem breiten Elfenbeinlächeln und seiner schmierigen
Gelfrisur sieht er so schwul aus, dass es mich nicht wundern würde, wenn er zu Hause weiße Tiger für eine Las-Vegas-Zaubershow züchten würde. Zu seinem Eine-Million-Dollar-Grinsen hat er noch Pizza und eine Flasche Wein mitgebracht. Entweder hat er also neben seinem Pilotenjob noch eine Vierhunderteurostelle als Pizzaservicefahrer angenommen oder er verbringt mit Steffi einen Abend voller Lust und Leidenschaft. Weiß ich doch nur allzu gut, wie sie schon auf wenige Schlucke Alkohol reagiert.
    Na klasse.
    Ich spüre ein gewisses Gewaltpotenzial in mir aufkommen und würde am liebsten über die Straße rennen, um Claus die Flasche anal entkorken zu lassen.
    Ich lasse es und frage mich, ob ich wirklich so ein eierloses Wesen bin. Wütend schlage ich auf das Lenkrad und feuere mich an, jetzt zu klingeln und Claus per Faust-OP die eine oder andere Taste aus der Klaviatur zu extrahieren.
    Stattdessen schalte ich das Radio ein, wo gerade ein altes Lied der Ärzte läuft. Wenigstens die verstehen mich. Ich drehe die Lautstärke voll auf und singe unter salzigen Tränen und Oger-Umarmungen laut mit: »He du, bleib stehn, ich weiß, wohin du gehst! Du brauchst nicht so zu tun, als ob du nicht verstehst. Du bist auf dem Weg zu ihr, sie gehörte mal zu mir …«

2
Geflügelmortadella
    D urch mein passives Besuchsrecht, das ich mir selbst eingeräumt habe, besteht mein Lebensrhythmus momentan aus Stalken, Trinken und Nichtrasieren. Meine Antriebslosigkeit könnte man nicht mal mit einer Europalette Sanostol auf ein brauchbares Level dopen. Ich sitze zu Hause in meiner Wohnung und perfektioniere mein neues Hobby: das Starren.
    Ich starre, wo ich stehe und liege. In der Küche, dem Bad, dem Wohnzimmer. Alles wird stumm von mir angestarrt. Meine Wohnung eignet sich bestens dazu. Sie ist nicht sehr stilvoll eingerichtet, sondern eher zweckmäßig, und bietet somit genug Freiraum zum Starren. Es ist eine klassisch geschnittene Dreizimmerwohnung in Bockenheim. Ursprünglich wohnte ich hier mit zwei Kommilitonen in einer WG zusammen, die aber nach dem erfolgreichen Studienabschluss ausgezogen sind und nun mit ihren Ehefrauen deutlich größere, bessere und vor allen Dingen eigene Wohnungen bezogen haben. Ich blieb zurück und finanziere mir seither das Studium und die Miete mit meinem Job an der Tankstelle. Durch das Stalken und Starren taktet sich dazu meine innere, biologische Uhr neu, und ich schaue zusammen mit Shrek oftmals bis wenigstens vier Uhr morgens fern. Obwohl die Flimmerkiste meist ohne große Beachtung meinerseits nebenbei läuft, beruhigt es mich. Die Stimmen vermitteln mir
ein Gefühl von Normalität und Alltag. Gerade so, als sei ich nicht allein in meiner Wohnung. Überhaupt muss ich feststellen, dass mir mein neuer Singlealltag noch etwas gewöhnungsbedürftig erscheint. So muss ich zum Beispiel erkennen, gar keine eigenen Termine zu haben. Bisher war alles fein säuberlich auf Pärchenkompatibilität ausgerichtet.
    Montags auf VOX CSI und Boston Legal schauen und im Anschluss soliden Sex mit Steffi haben.
    Dienstags mit Steffi zoffen, da sie behauptet, dass die Montage immer gleich verlaufen und wir Sex nach Terminplan haben.
    Mittwochs zugeben, dass es tatsächlich so ist, um darauf tollen Versöhnungssex mit ihr zu haben.
    Donnerstags ist Steffis Mädelsabend, und ich hole sie gegen Viertel nach zwölf angetrunken aus einer Bar an der Bergerstraße ab.
    Freitags ausmachen, dass man doch auch mal wieder zusammen ausgehen könnte, um dann doch wieder auf Pro7 das Eventmovie oder eine Til-Schweiger-DVD zu schauen.
    Samstags Fußball schauen in der Marriott-Sportsbar an der Messe, danach Sportschau gucken, um schließlich das Gesehene noch mal abends im Sportstudio zu verfestigen.
    Sonntags wahlweise zu meinen oder Steffis Eltern fahren und sich darauf freuen, am nächsten Tag einfach mal zu Hause bleiben zu können, um auf VOX CSI oder Boston Legal zu schauen.
    Heute Morgen nach dem Aufstehen gegen vierzehn Uhr war es mir sogar so langweilig, dass ich unbedingt unter Menschen wollte. Einen festen Termin haben. Irgendwas, an dem ich mich orientieren kann. Also habe ich bei meinem Hausarzt angerufen und gefragt, ob denn nicht mal wieder eine Impfung anstünde. Ganz egal was. Grippepandemie, Tetanusimpfung
oder sei es auch nur eine handelsübliche Kinderprophylaxe gegen Mumps. Nach Durchsicht der Akten wurde mir aber mitgeteilt, dass
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