Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
Vom Netzwerk:
möchte wetten.«
    »Ob ich das Basil sagen soll?«
    [453] »Behalt’s lieber für dich.«
    »Ich finde das sehr egoistisch von ihr. Basil ist gar nicht gut beieinander. Wenn er das erfährt, kriegt er einen Anfall. Er hatte gestern auch schon eine Art Anfall.«
    »Armer Basil. Er darf es nicht erfahren.«
    Basil und Angela bezahlten ihre horrende Rechnung. Man brachte ihren Wagen vor die Tür. Der Chauffeur fuhr. Angela saß neben Basil, der sich ins Polster kuschelte und gelegentlich ein paar schlecht und recht erinnerte Melodienfetzen vom »Kühnen Jüngling am Trapez« vor sich hin säuselte. Als sie sich London näherten, kam ihnen der ganze Freitagsverkehr entgegen. In ihrer Fahrtrichtung war die Straße frei. Im Hotel angekommen, ging Basil unverzüglich ins Bett – »Ich glaube, ich werde nie mehr ein Bad brauchen, solange ich lebe«, sagte er –, und Angela ließ ihm ein leichtes Essen mit Austern und Starkbier bringen. Gegen Abend hatte er sich wieder so weit erholt, dass er eine Zigarre rauchen konnte.
    Am nächsten Morgen war er früh auf und sprach davon, in den Club zu gehen.
    »In diesen schmuddligen?«
    »Nein, ›Bellamy’s‹. Aber da wird am Samstagmorgen kaum jemand sein.«
    Es war gar niemand da. Der Barkeeper quirlte [454] ihm ein Ei mit Portwein und Kognak. Dann nahm Basil ein Taxi und fuhr in die Hill Street, um ein paar Bücher zu holen. Es war noch nicht elf Uhr, als er das vermeintlich leere und stille Haus aufschloss und eintrat. Aus dem Raum im Erdgeschoss, wo man in kleinerer Gesellschaft vor einem Lunch oder Dinner zusammenzusitzen pflegte, drang Musik. Es war ein dunkles Zimmer mit Wandbehängen und Boulle-Möbeln. Dort saß, mit einem Pelzmantel ihrer Mutter über dem Pyjama, seine Tochter auf dem Boden und hielt ein Transistorradio an die Wange gedrückt. Hinter ihr im Kamin lagen ein paar dicke Kohleklumpen in der Asche des Anfeuerholzes, das sie nicht zum Brennen gebracht hatte.
    »Ach Pumpel, du kommst doch wieder einmal wie gerufen. Ich hatte dich erst Montag erwartet, und bis dahin wäre ich erfroren. Ich komme einfach mit der Zentralheizung nicht zurecht. Hab immer gedacht, die muss man nur aufdrehen und braucht sonst keinen dazu. Im Kamin kriege ich auch kein Feuer an. Und bevor du jetzt fragst: ›Babs, was machst du denn hier?‹, sage ich dir gleich, dass ich mich totfriere und sonst gar nichts.«
    »Stell mal dieses verdammte Ding da ab.«
    Es wurde still, und Barbara sah sich ihren Vater [455] jetzt etwas genauer an. »Aber Pumpel, was haben sie denn mit dir gemacht? Du bist ja gar nicht du selbst. Nur noch ein Klappergestell und gar nicht mehr mein dicker alter Pumpel. Setz dich sofort hin. Armer Pumpel! Verschrumpelt wie eine Mumie. Diese Untiere!«
    Basil setzte sich. Barbara rutschte heran und legte ihren Kopf auf seine Knie. »Armes Gerippe«, sagte sie. Saphirblaue Augen strahlten unter wirrem schwarzen Haar aus dem noch kindlichen Gesicht hervor und blickten tief in zwei saphirblaue Augen über eingefallenen Tränensäcken. » KZ -Krüppel«, fügte sie zärtlich hinzu. »Gespenst. Knochenmann. Arme ausgebuddelte Leiche.«
    »Genug geschmeichelt. Und jetzt raus mit der Sprache.«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass mir langweilig war. Du weißt so gut wie ich, wie es auf Malfrey ist. Diese blöde Nationalstiftung. Im Sommer geht’s noch, wenn die Touristenbusse kommen. Aber jetzt laufen da nur französische Kunstexperten herum – ein halbes Dutzend pro Woche, und überall die Gänge mit Öltuch ausgelegt und mit Seilen abgesperrt, und Tante Barbara haust in dieser Wohnung über den Ställen und diese lächerlichen Sothills im Junggesellenflügel, und das Höchste der Gefühle ist mal eine Fasanenjagd [456] mit anschließendem Picknick in der Jagdhütte, wo es dann nichts als Fasan zu essen gibt und… Also, ich habe mich doch frist- und formgerecht beschwert, oder nicht? Du warst nur zu sehr mit Verhungern beschäftigt, um mir zuzuhören, und wenn das Glück deiner einzigen, angebeteten Tochter nicht mehr zählt als senile Eitelkeit…« Erschöpft hielt sie inne.
    »Da steckt doch noch was anderes dahinter.«
    » Etwas schon.«
    »Was?«
    »Also, Pumpel, jetzt musst du mal ganz ruhig bleiben. Zu deinem eigenen Wohl, nicht zu meinem. Ich bin Gewalttätigkeiten weiß Gott gewöhnt. Wie du mich die ganzen Jahre geprügelt hast, wäre dir längst die Polizei auf die Pelle gerückt, wenn du arm wärst. Ich werd’s überleben; aber du, Pumpel, bist in einem Alter,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher