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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan?
Autoren: Amanda Prowse
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zuhören musste. Wichtiger noch, er musste begreifen.
    Er strich sich mit der Hand über das Gesicht, dann kratzte er sich den Schädel und tätschelte seinen Seitenscheitel.
    »Ich mache diesen Job schon lange, und ich weiß, dass solche Dinge passieren können. Manchmal ganz spontan. Schlimme Dinge, Unfälle.«
    »Ich glaube, ich weiß, worauf du hinauswillst«, unterbrach ihn Kathryn. »Aber ich muss dich gleich bremsen. Das war kein Unfall. Nicht etwa, dass ich es geplant und ausgeheckt hätte oder so, aber es war kein Unfall. Ich habe Mark bewusst erstochen. Als ich das Messer in der Hand hielt, wollte ich ihn töten. Wenn ich es mir recht überlege, wollte ich das tief in meinem Inneren schon lange tun. Deshalb war es zwar spontan, wie du es nennst, aber kein Unfall.«
    Roland schüttelte den Kopf. Sie tat sich damit nicht gerade einen Gefallen.
    »Ich sage dir, was mir wirklich weiterhelfen würde. Warum nennst du mir nicht ein paar Beispiele?«
    »Beispiele?«
    »Ja, irgendetwas, das mir hilft, wirklich zu begreifen, was du durchgemacht hast. Erzähl mir etwas Typisches.«
    »Etwas Typisches?«
    »Ja. Entwirf eine Momentaufnahme, wenn du willst. Ein konkretes Bild würde mir helfen, es zu begreifen. Erzähl mir, wie es war. Erkläre mir, was er dir Schlimmes angetan hat. Beschreibe mir mit einfachen Worten, was du durchgemacht hast. Du sprichst von Angst und Qualen – das musst du mir verständlich machen. Erzähl mir, was er getan hat, das dir solche Angst eingejagt hat. Erzähl mir, was er getan hat, das dich dazu getrieben hat, ihn umzubringen.«
    Roland hatte seinen freundschaftlichen Ton aufgegeben und war durch und durch Polizist.
    »Du willst eine Momentaufnahme?«
    »Ja, wenn es dir recht ist.«
    »Lass mich überlegen. Eine Momentaufnahme, etwas Typisches.«
    Sie legte eine Pause ein.
    »Es ist schwierig zu wissen, wo ich anfangen muss, wie viel ich dir erzählen soll.«
    »Erzähl mir irgendetwas, Kathryn, aber verzichte auf den Satz: Mein Mann war ein Monster. Der ist ein bisschen zu allgemein und dramatisch, um wirklich sachdienlich zu sein. Gib mir irgendetwas Greifbares, etwas, was mir hilft zu verstehen, ein Detail, mit dessen Hilfe ich es anderen erklären kann.«
    »Also gut. Aber eines will ich dir sagen, bevor ich anfange: Ich werde mich an die Tatsachen halten und weder über- noch untertreiben. Ich habe dir bisher die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt – so lautet der Ausdruck doch?«
    Roland nickte. »Ja, das kommt dem ziemlich nahe. Ich bin bereit, wenn du es bist.«
    Kathryn atmete scharf ein und drehte ihren Ehering mit dem linken Daumen um den Finger. Sie war noch gar nicht auf den Gedanken gekommen, ihn abzulegen. Doch in diesem Augenblick beschloss sie, das zu tun, sobald sie allein war. Sie schob den Goldreifen ein Stück nach oben und dachte kurz darüber nach, was für eine Furche er in ihren Finger gegraben hatte. Wie lange würde es wohl dauern, bis der schmale Abdruck wieder verschwand? Das würde für sie einen großen Schritt hin zur Selbstständigkeit bedeuten.
    »Na ja, Mark war sehr etepetete, genau genommen besessen von Details. Ich durfte nie Jeans oder sonst irgendwelche Hosen anziehen, nur Röcke. Ich musste mehr oder weniger über jede Minute meines Tagesablaufs Rechenschaft ablegen. Es gab nur sehr wenig Zeit zur freien Verfügung. Ich durfte entscheiden, welche Route ich zum Supermarkt nehme oder welches Gemüse ich zum Abendessen zubereite, aber das war auch schon alles. Wie und wo ich die Vorräte verstaue, wann ich das Essen serviere, das war alles vorgeschrieben. Ich musste jeden Tag eine bestimmte Anzahl von Arbeiten erledigen. Häufig sinnlose und monotone Aufgaben, die nur dazu gedacht waren, mich fertigzumachen und meinen Willen zu brechen.«
    Roland kniff mit Daumen und Zeigefinger die Haut unter den Augen zusammen. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass diese Worte vor Gericht wiederholt wurden: Ich habe meinen Mann ermordet, weil er ein bisschen pingelig war und mich am liebsten im Rock gesehen hat. Und ich hatte Haushaltspflichten zu erledigen.« Himmelherrgott, wenn sie damit durchkam, dann hatten die meisten Frauen in diesem Land eine Rechtfertigung. Er hoffte, dass noch etwas Besseres nachkommen würde.
    »Und am Abend sind wir dann zusammen die Treppe hinaufgegangen. Während mich nur eine Rigipswand von meinen Kindern trennte, kniete ich am Fuß unseres Bettes, und Mark gab mir Punkte, je nachdem, wie schlecht ich meine
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