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Warum Sex Spass macht

Warum Sex Spass macht

Titel: Warum Sex Spass macht
Autoren: Jared Diamond
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haben Haare in den Achselhöhlen. Der Bart, die Körperbehaarung und die tiefe Stimme der Männer als Zeichen der Pubertät, aber auch die weißen Haare der Männer und Frauen als Zeichen des Alters scheinen gleichermaßen keine tiefere Bedeutung zu besitzen. Wie der rote Schnabelfleck der Möwen und viele andere Signale bei Tieren sind auch diese menschlichen Signale nicht aufwendig und völlig beliebig – man könnte sich viele andere vorstellen, die den gleichen Zweck erfüllen. Gibt es bei den Menschen auch ein Signal, das Fishers Modell der Ausreißerselektion oder Zahavis Prinzip der Behinderung entspricht? Auf den ersten Blick sieht es so aus, als besäßen wir keine übertriebenen Merkmale, die dem fünfzig Zentimeter langen Schwanz der Widas vergleichbar wären. Bei längerem Nachdenken frage ich mich jedoch, ob wir in Wirklichkeit nicht doch einen solchen Körperteil haben: den Penis des Mannes. Man könnte nun einwenden, er habe keine Signalfunktion, sondern sei nicht mehr als ein gut konstruiertes Fortpflanzungshilfsmittel. Das ist aber kein ernsthaftes Gegenargument gegen meine Spekulation; wie wir bereits erfahren haben, sind auch die weiblichen Brüste gleichzeitig Signale und ein Teil des Fortpflanzungsapparats. Der Vergleich mit unseren engsten Verwandten, den Menschenaffen, legt die Vermutung nahe, daß auch die Größe des menschlichen Penis weit über die rein funktionellen Erfordernisse hinausgeht und daß diese übertriebene Größe ein Signal darstellt. Der erigierte Penis ist bei Gorillas etwa drei Zentimeter und bei Orang-Utans vier Zentimeter lang, beim Menschen dagegen mißt er im Durchschnitt 12,5 Zentimeter, obwohl die Männchen der genannten Affenarten körperlich viel größer sind als Männer.
    Sind die zusätzlichen Zentimeter des menschlichen Penis ein Luxus, der für seine Funktion nicht nötig wäre? Einer entgegengesetzten Deutung zufolge könnte der lange Penis irgendwie nützlich sein, weil wir im Vergleich zu vielen anderen Säugetieren beim Geschlechtsverkehr zahlreiche verschiedene Positionen einnehmen. Aber auch der vier Zentimeter lange Penis der OrangUtans ermöglicht eine Vielzahl von Stellungen, die den unseren gleichkommt, und im Gegensatz zu uns nehmen sie alle diese Positionen sogar ein, während sie an einem Ast hängen. Und was die mögliche Nützlichkeit des großen Penis für einen längeren Geschlechtsverkehr angeht, so sind uns die Orang-Utans auch in dieser Hinsicht voraus (mittlere Dauer 15 Minuten, im Vergleich zu nur vier Minuten für den durchschnittlichen Amerikaner).
    Einen Anhaltspunkt, daß der große Penis der Menschen als eine Art Signal dient, erhält man vielleicht durch die Beobachtung von Männern, die Gelegenheit haben, ihren Penis selbst zu gestalten, statt sich mit ihrem entwicklungsgeschichtlichen Erbe zufriedenzugeben. Die Männer im Hochland Neuguineas stecken den Penis zu diesem Zweck in eine verzierte Röhre, den Penisköcher. Er mißt bis zu sechzig Zentimeter in der Länge und vier Zentimeter im Durchmesser, ist oft leuchtend gelb oder rot und am Ende mit Fell, Blättern oder einer gabelförmigen Verzierung geschmückt. Als ich letztes Jahr in Neuguinea erstmals Männer mit Penisköchern traf – sie gehörten zum Stamm der Ketengban in den Star Mountains –, hatte ich bereits eine Menge darüber gehört, und nun war ich neugierig, wie sie den Köcher benutzten und was sie mir erzählen würden. Wie sich herausstellte, trugen die Männer den Penisköcher ständig, zumindest während ich mit ihnen zusammen war. Jeder Mann besitzt mehrere Exemplare, und jeden Tag wählt er je nach seiner Stimmung eines davon aus, ganz ähnlich wie wir uns morgens überlegen, welches Hemd wir anziehen wollen. Auf meine Frage, warum sie den Penisköcher trügen, erwiderten die Ketengban, sie fühlten sich ohne ihn nackt und unanständig. Diese Antwort überraschte mich mit meiner westlich geprägten Sichtweise, denn die Ketengban waren ansonsten völlig nackt und ließen sogar die Hoden unbedeckt.
    Der Penisköcher ist eigentlich ein auffälliger, erigierter Pseudopenis, und er macht deutlich, wie die Männer gern ausgestattt wären. Leider wurde die Penisgröße, die sich tatsächlich entwickeln konnte, durch die Länge der weiblichen Vagina beschränkt, aber der Penisköcher zeigt uns, wie der menschliche Penis aussehen würde, wenn er nicht dieser funktionalen Einschränkung unterläge. Er ist sogar ein noch frecheres Signal als der Schwanz des Widas.
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