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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
Autoren: Theodor Fontane
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Der Dampf kam hinzu, um den Triumph zu vervollständigen. Bis 1850 hielt sich die Schute, dann wurde sie als altehrwürdiges Institut beiseite gelegt, und ein »auf Gegenseitigkeit« gebauter Dampfer, der bald gezwungen war, einen großen Havelkahn ins Schlepptau zu nehmen, leitete die neue Ära der Werderaner ein. Von 1853 bis 1860 fuhr die »Marie Luise«; seitdem fährt der »König Wilhelm« zwischen Werder und Berlin.
    Noch einiges Statistisches. Auch Zahlen haben eine gewisse Romantik. Wie viele Menschen erdrückt oder totgeschossen wurden, hat zu allen Zeiten einen geheimnisvollen Zauber ausgeübt; an Interesse steht dem vielleicht am nächsten, wieviel gegessen worden ist. So sei es denn auch uns vergönnt, erst mit kurzen Notizen zu debütieren und dann eine halbe Seite lang in Zahlen zu schwelgen.
    Mit dem ersten Juni beginnt die Saison. Sie beginnt, von Raritäten abgesehen, mit Erdbeeren. Dann folgen die süßen Kirschen aller Grade und Farben; Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren schließen sich an. Ende Juli ist die Saison auf ihrer Höhe. Der Verkehr läßt nach, aber nur, um Mitte August einen neuen Aufschwung zu nehmen. Die sauren Kirschen eröffnen den Zug; Aprikosen und Pfirsich folgen; zur Pflaumenzeit wird noch einmal die schwindelnde Höhe der letzten Juliwochen erreicht. Mit der Traube schließt die Saison. Man kann von einer Sommer- und Herbstcampagne sprechen. Der Höhenpunkt jener fällt in die Mitte Juli, der Höhenpunkt dieser in die Mitte September. Die Knupperkirsche einerseits, die blaue Pflaume andererseits – sie sind es, die über die Saison entscheiden.
    Der Versand ist enorm. Er beginnt mit 1000 Tienen, steigt in rapider Schnelligkeit auf 3000, auf 5000, hält sich, sinkt steigt wieder und tritt mit 1000 Tienen, ganz wie er begonnen, schließlich vom Schauplatz ab. Als Durchschnittsminimum wird man 3000, als Maximum 4000 Tienen täglich, die Tiene zu drei Metzen, annehmen dürfen. Der Preis einer Tiene ist 15 Silbergroschen. Dies würde, bei Zugrundelegung des Minimalsatzes, in 4 Monaten oder 120 Tagen einen Gesamtabsatz von 120 mal 3000, also von 360 000 Tienen 1) ergeben. Dies ist aber zu niedrig gerechnet, da 360 000 Tienen, die Tiene zu 15 Silbergroschen, nur einer Gesamteinnahme von 180 000 Talern entsprechen würden, während diese auf 280 000 Taler angegeben wird. Gleichviel indes; dem Berliner wird unter allen Umständen der Ruhm verbleiben, als Minimalsatz alljährlich eine Million Metzen werdersches Obst zu konsumieren. Solche Zahlen sind schmeichelhaft und richten auf.
    Sie richten auf – in erster Reihe natürlich die Werderschen selbst, die die entsprechende Summe einzuheimsen haben, und in der Tat, auf dem Werder und seinen Dependenzien ist ein solider Durchschnittswohlstand zu Hause. Aber man würde doch sehr irregehn, wenn man hier, in modernem Sinne, großes Vermögen, aufgespeicherte Schätze suchen wollte. Wer persönlich anfaßt und fleißig arbeitet, wird selten reich; reich wird der, der mit der Arbeit hundert anderer Handel treibt, sie als kluger Rechner sich zunutze macht. An solche Modernität ist hier nicht zu denken. Dazu kommen die bedeutenden Kosten, Lohnzahlungen und Ausfälle. Eine Tiene Obst, wir gaben es schon an, bringt im Durchschnitt fünfzehn Silbergroschen; davon kommen sofort in Wegfall: anderthalb Silbergroschen für Pflückerlohn und ebenfalls anderthalb Silbergroschen für Transport. Aber die eigentlichen Auslagen liegen schon weit vorher. Die Führung großer Landwirtschaften ist aus den mannigfachsten Gründen, aus Mangel an Wiesen und vielleicht nicht minder aus Mangel an Zeit und Kräften, auf dem Werder so gut wie unmöglich; so fehlt es denn an Dung, und diese Unerläßlichkeit muß aus der Nachbarschaft, meist aus Potsdam, mühsam herbeigeschafft werden. Eine Fuhre Dung kostet sieben Taler. Dies allein bedingt die stärksten Abzüge. Was aber vor allem einen eigentlichen Reichtum nicht aufkommen läßt, das sind die Ausfalljahre, wo die Anstrengungen, um noch größerem Unheile vorzubeugen, verdoppelt werden müssen und wo dennoch mit einem Defizit abgeschlossen wird. Die Überschüsse früherer Jahre müssen dann aushelfen. Derartige Ausfalljahre sind solche, wo entweder starke Fröste die großen Obstplantagen zerstören oder wo im Frühjahr die Schwaben und Blatthöhler das junge Laub töten, die Ernte reduzieren und oft die Bäume dazu. So gibt es denn unter den Werderschen eine Anzahl wohlhabender
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