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VT03 - Tod in den Wolken

VT03 - Tod in den Wolken

Titel: VT03 - Tod in den Wolken
Autoren: Mia Zorn
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Körper von Sefga neben sich: Aus einer klaffenden Wunde an seinem Hals rann das Blut.
    Vietsge hechelte nach Luft. Ein dunkles Grollen kroch aus ihrer Brust und entlud sich in ihrem Mund zu hysterischem Geschrei.
    Lumgo, der immer noch auf die Leichen der beiden Jungen starrte, wirbelte herum. Aber was er sah, war nicht Vietsge oder sein Neffe, sondern ein Wesen, dessen Anblick aufs Neue sein Blut in den Adern gefrieren ließ: ein Gruh! Er war gut einen Kopf größer als Lumgo. Trübe Augen glotzten aus einem hohlwangigen Gesicht, und doch waren sie das Einzige, was an ihm lebendig schien. Die Bewegungen seiner Gliedmaßen wirkten mechanisch und sein dürrer Körper glich einem Skelett, das mit grauen Hautfetzen bekleidet war. Obwohl er sich nur langsam dem Kilmalier näherte, war Lumgo außer Stande, auch nur einen Finger zu krümmen. Wie eine Ziege auf der Schlachtbank erwartete er seinen Tod. Das Letzte, was er sah, waren die langen Finger des Gruh: Wie knorrige Äste schwebten sie über ihm. Dann bohrten sich ihre dreckigen Krallen in Lumgos Schädel.
    ***
    Avignon-à-l’Hauteur
    Obwohl die Regenzeit vorbei war, hing eine graue Wolkenschicht über der Himmelsstadt. Der Ausbruch des Götterberges hatte auch in der Provinz Masaai seine Spuren hinterlassen.
    Mit ausgebreiteten Riesenschwingen zog ein weißer Vogel immer kleiner werdende Kreise über der Stadt. Es war ein Witveer im Sinkflug. Sein heiserer Schrei weckte Nabuu aus dem Halbschlaf. Der junge Krieger aus Kilmalie brauchte ein Weilchen, bis er begriff, dass er in einem hölzernen Gestell saß, das auf den mächtigen Leib eines Witveers geschnallt war. Er wollte nach Avignon-à-l’Hauteur, um Hilfe für seine Stadt zu erbitten.
    Nabuu zog die rote Decke fester um seine Schultern. Der kühle Wind verfing sich in seinem krausen schwarzen Haar. Wie spät mochte es sein? Der Kilmalier schaute sich um. Das Licht der verhangenen Sonne schimmerte durch die Wolkendecke im Osten. Vermutlich früher Vormittag , schätzte Nabuu. Wieder durchschnitt der Schrei des Vogels die Luft. Diesmal schrill.
    »Ho!«, rief der Lenker. Er wandte sich zu Nabuu um. »Halte dich und dieses Ding da gut fest!« Der kräftig gebaute Masaaii warf einen angewiderten Blick auf das Bündel, das vor Nabuu lag. Es war der Gruh, den sie aus Kilmalie mitgenommen hatten. Eines dieser schrecklichen Wesen, die nach dem Vulkanausbruch aus der Erdspalte gekrochen waren und Tod und Verderben über Nabuus Heimat gebracht hatten. Der Leichnam des Gruh war in graues Sackleinen gewickelt und das Paket mit Seilen verschnürt.
    Nabuu sicherte das Bündel mit seinen nackten Füßen und schaute seitlich über die Riesenschwinge des Witveers. Unter sich sah er kreisrunde Plattformen, mit Hütten aus Leichtholz, Bambus und Zeltstoff. Sie waren verbunden durch dicke Taue und Brücken und bildeten gemeinsam ein großes Rund auf verschiedenen Ebenen. Etliche Ballons hielten die ganze Konstruktion – eine Wolkenstadt alter Bauart, wie Nabuu wusste – in der Schwebe.
    Der Kilmalier hatte gehört, dass die Ballons mit Gas aus den Tiefen der Erde gefüllt waren und die fliegenden Städte in der Luft hielten. Bislang hatte ihm die Vorstellungskraft gefehlt, dass diese birnenförmigen Dinger eine ganze Stadt tragen sollten. Als er sie jetzt mit eigenen Augen sah, vertraute er sofort ihrer Tragfähigkeit: Sie waren groß wie Efranten.
    Sein Blick wanderte über die Hütten und Unterstände auf den verschiedenen Plattformen. In der Mitte erhob sich ein prächtiges Haus, das von Palisaden umgeben war. Dies musste das Schloss der Prinzessinnen de Rozier sein. Nabuu spürte ein Kribbeln in seiner Magengegend. In den letzten Stunden hatte er nur den sehnlichsten Wunsch gehabt, endlich von dem Rücken dieses Transportvogels zu kommen. Jetzt aber wünschte er sich, dass der Witveer noch stundenlang weiter fliegen würde. Egal wohin. Hauptsache weg von Avignon-à-l’Hauteur! Denn ihm drohten Folter und Tod, wenn er Prinzessin Antoinette nicht davon überzeugen konnte, dass die Kilmalier nichts mit der Entführung ihrer Zwillingsschwester zu tun hatten. Und Antoinette war bekannt dafür, dass sie nicht lange fackelte!
    Wieder schrie der Vogel. Er bog seinen langen Hals und warf den Schädel in den Nacken. Nabuu fühlte, wie das hölzerne Gestell, in dem er saß, sich nach hinten neigte. Kurz erblickte er die orangenen Füße des Tieres, dann versperrten die flatternden Flügel die Sicht. Mit einem Poltern landete der
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