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Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition)

Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition)

Titel: Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition)
Autoren: Ansgar Warner
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Vorteile.“
    Rocketbook, Softbook und andere Fehlstarts
    Im Zeitalter von Tablets und Smartphones spricht man gerne von „dedizierten“ (abgeleitet von “dedicated“, also „ausschließlich dem Lesen gewidmet“) Lesegeräten bzw. von “dezidierten” Lesegeräten, um klassische E-Reader von Multifunktionsgeräten abzugrenzen. Vor einem ähnlichen Problem standen bereits die ersten Hersteller, die sich Ende der Neunziger Jahre mit den ersten Lesegeräten auf den Markt wagten – schließlich gab es schon die PDAs. Vielleicht griff ja das US-Unternehmen NuvoMedia im Jahr 1997 aus diesem Grund zum dramatischen Namen „Rocket eBook“, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden. Rein optisch machte das Raketen-E-Buch mit monochromem 5,5-LCD-Bildschirm dagegen nicht sehr viel her.
    Umso größer waren NuvoMedias Ambitionen: Man wollte die weltweit erste „Vertriebslösung für elektronische Bücher“ erschaffen, und zwar in Form einer „vernetzten Infrastruktur aus Verlagen, Buchhändlern und Endnutzern“. Mit anderen Worten: Rückgrat des E-Book-Vertriebs sollte das Internet darstellen. NuvoMedia war bezeichnenderweise ein Joint-Venture zwischen der US-Buchhandelskette Barnes&Noble und dem Bertelsmann-Konzern. In den USA konnte man das Rocket eBook auf der Website von Barnes&Noble kaufen, in Deutschland war es dagegen weitaus schwieriger, an das Gerät zu kommen. Auf der Frankfurter Buchmesse tauchten zwar die ersten Muster auf, der offizielle Verkaufsstart ließ jedoch auf sich warten: „Das eBook mag ein revolutionäres Produkt sein, aber die Revolution findet – bisher zumindest – noch ohne die Kunden statt“, beschwerte sich SPIEGEL Online noch im Jahr 1999.
    Zu den ersten Gadget-Enthusiasten im Leseland, die sich das Rocket eBook zu Gemüte führten, gehörte der IT-Autor und Journalist Giesbert Damaschke. Im Jahr 2000 urteilte er in der Online-Ausgabe der ZEIT: „Die feingeistigen Kritiker auf Jenny-Treibel-Niveau und raunenden Beschwörer des ‘guten Buchs’ können getrost hinter ihrem Dünndruckband Stifter verstauben. … Nach 5 Monaten regelmäßiger Lektüre steht zumindest eines fest: Man kann auf dem Gerät problemlos längere Texte für längere Zeit lesen“.
    Technisch machbar hieß jedoch nicht unbedingt perfekt umgesetzt: „Für einen dezidierten Lesecomputer hat das Rocket E-Book ein erstaunlich schlechtes Display, der angezeigte Text pixelt deutlich auf und ohne Hintergrundbeleuchtung sieht man nur einen dunklen Matsch auf spiegelndem Grund.“ Raketenmäßig abgehen würde das Gerät schon gar nicht, so Damaschke. Angesichts der eher lahmen Prozessorleistung sei der Name Rocket eBook wohl eher als Marketingscherz zu verbuchen. Außerdem, so beschwert sich der ebenso bibliophile wie technikaffine Journalist, seien die aktuellen Titel nicht nur überteuert, sondern auch noch kopiergeschützt. Wirklich lohnenswert war somit vor allem die Lektüre von kostenlosen, gemeinfreien Klassikern.
    Etwas mehr Gnade vor den zeitgenössischen Kritikern fand das „Softbook“, mit dem sich die Verlage Random House und Simon&Schuster in das E-Business wagten. Mit einem 9-Zoll-großen Display war dieser frühe E-Reader ungefähr so groß wie das heutige iPad. Während das Rocket eBook über ein serielles Kabel mit dem PC verbunden wurde, besaß das Softbook sogar ein integriertes Modem, so dass man elektronische Lektüre direkt aus dem Internet saugen konnte. Das Softbook war allerdings mit knapp 700 Dollar mehr als doppelt so teuer wie das Rocket eBook, (und leider auch doppelt so schwer). Ebenso wie die Konkurrenz setzte NuvoMedia auf Kopierschutz: E-Books konnten nur auf dem persönlichen E-Reader gelesen werden. Die damalige Ausrede der Hersteller für diesen unfreundlichen Akt dürfte heutigen Lesern nur allzu bekannt vorkommen: Mit weniger strikten Sicherheitsvorkehrungen, so hieß es, hätte man die Verlage nicht davon überzeugen können, ihre Inhalte zur Verfügung zu stellen.
    Allzuviele E-Books gab es aber ohnehin noch nicht. Dass der erste E-Reader-Hype nicht den Massenmarkt erreichte, lag deswegen nicht nur an den Unzulänglichkeiten der Geräte, sondern schlicht und einfach am mangelnden Lesestoff. Kein Anbieter hatte Ende der 1990er Jahre mehr als 1000 aktuelle Titel im Programm. NuvoMedia und Softbook wurden an der Schwelle zum neuen Jahrtausend vom Medienunternehmen Gemstar aufgekauft, dessen Kerngeschäft eigentlich Fernsehtechnik ausmachte. Dann platzte kurz nach der
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