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Vision - das Zeichen der Liebenden

Vision - das Zeichen der Liebenden

Titel: Vision - das Zeichen der Liebenden
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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zu halten, ohne viel mehr von ihr zu kennen als ihren Namen und ohne ihr Fragen zu stellen.
    Er ging hastig, genoss die laue Brise, die ihm ins Gesicht schlug, und achtete kaum auf die Tristesse seiner Umgebung. Die Antigua Colonia bestand aus einer Vielzahl von gewundenen Straßen hoch über den Klippen, ein Viertel mit einstmals luxuriösen Villen, die hinter ihren staubigen Vorgärten seit Jahrzehnten dem Verfall ausgesetzt waren. Hinter den gelben und blauen Fassaden, deren verblasste Farben im Laternenlicht kaum noch zu erkennen waren, mit ihren hohen Säulenportalen und Glasveranden hausten vereinzelt noch alte Leute, Erben der Überreste einer untergegangenen Pracht. Es war ein Jammer. In den Achtzigerjahren, als das Viertel sich schon deutlich geleert hatte, hatte ihm das große Erdbeben endgültig den Todesstoß versetzt und ein Großteil der Familien, die noch hier ausharrten, zogen in die Neubaugebiete am Strand, die sicherer und mit weniger Erinnerungen behaftet waren.
    Über die Antigua Colonia kursierten alle möglichen Geschichten. Als regelrechtes Wunder galt, dass die Villen noch nicht eingestürzt waren, denn die meisten waren durch das Erdbeben ernsthaft beschädigt worden. Kaum ein Haus, das nicht einen Riss quer über die Fassade, ein Loch im Dach oder eine zusammengefallene Säule am Portal aufwies. Ihre früheren Bewohner waren wegen Einsturzgefahr ausgezogen und doch hielten sich die Bauten immer noch aufrecht. Als Geisterhäuser, reglose, bedrohliche Zeugen einer Vergangenheit, die nicht vergehen wollte. Aber diese unerklärliche Standhaftigkeit war nicht das einzige Rätsel der Antigua Colonia . Wer pflanzte zum Beispiel jedes Frühjahr Geranien und Petunien in die Blumenrabatten und ersetzte sie im Herbst durch Stiefmütterchen? Warum wuchsen die Zypressen und Eukalyptusbäume in den verwilderten Gärten weiter, als wäre nichts geschehen? Die Stadtwerke kümmerten sich schon lange nicht mehr um diesen Teil der Stadt und doch türmte sich auf den Straßen nicht der Müll. Nur gelegentliche Reifenspuren auf dem Asphalt machten deutlich, wie viel Sand und Schmutz sich im Laufe der Zeit auf ihnen angesammelt hatte.
    Alex hatte die Antigua Colonia seit Jahren nicht betreten. Er war überhaupt erst ein- oder zweimal hier gewesen, als Kind. An einen dieser Ausflüge erinnerte er sich dunkel. Damals hatte er seinen Vater begleitet. Er hatte Angst gehabt. Jetzt war dieses Gefühl wieder da, aber nicht wegen der heruntergekommenen Häuser oder der ausgestorbenen Straßen. Er machte sich Sorgen um Jana. Wohin wollte sie so eilig – um diese Zeit und an diesem Ort? Ob sie hier wohnte?
    Inzwischen waren ihre Schritte nur noch ein fernes Echo, er hatte sie aus den Augen verloren. An einer Kreuzung blieb er stehen, um durchzuatmen, und blickte sich um. Am Ende einer der drei Straßen ragten die Steinmauern des San-Antonio-Parks auf, der an der höchsten Stelle der Colonia lag. Dahinter bohrte sich der Turm der Friedhofskirche mit seiner dunklen Silhouette in den von Sternen übersäten Himmel. Der Park war um diese Zeit bestimmt geschlossen. Und doch war Alex sicher, dass Jana diese Straße genommen hatte, auch wenn er ihre Schritte nun gar nicht mehr hörte.
    Eine Windböe verfing sich in der Krone einer hohen Magnolie, die auf wundersame Weise überlebte, obwohl sich die Hälfte der Äste ins Nachbarhaus gebohrt hatte. Als ihre schweren Blätter zur Ruhe kamen, trat tiefe Stille ein. Alex rannte die Straße zum Park hinauf. Sein Atem ging immer schwerer, je steiler der Weg anstieg. Die Gummisohlen seiner Turnschuhe gaben beim Aufprall auf dem Pflaster ein weiches Schmatzen von sich und seine Beine begannen, vor Anstrengung bereits zu brennen. Als er die Anhöhe schließlich erreicht hatte, blieb er erschöpft stehen. Das schmiedeeiserne Parktor war verschlossen.
    Er folgte dem Verlauf der Mauer, in der Hoffnung, noch einen anderen Eingang zum Park zu finden. Da hörte er hinter sich plötzlich ein Geräusch. Eine Siamkatze war auf einen Schutthaufen geklettert und beobachtete ihn aus grünlich funkelnden Augen. Der Haufen zerbrochener Steine lag direkt vor der Mauer, wenige Meter vom Tor entfernt, und darüber entdeckte Alex eine Lücke in den Steinen, als hätte ein Riese genau an der Stelle hineingebissen. Wenn er Glück hatte, würde es ihm gelingen, den Schutthaufen zu erklimmen und von dort über die beschädigte Mauer zu klettern. Als Alex sich näherte, stieß die Katze ein gereiztes Fauchen
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