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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition)
Autoren: William Landay
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die Stadt hatte uns mitgeteilt, dass sie uns die Kosten dafür nur erstatten würde, wenn wir keine Alternative hätten. Also hatten wir pro forma ein paar Vorstellungsgespräche arrangiert. Das Ganze war für Jacob nicht einfach – er musste nachweisen, dass man ihn nirgendwo aufnehmen wollte. Das bedeutete eine Abfuhr nach der anderen – und an jenem Morgen verdarb ihm die Aussicht auf ein weiteres nutzloses Gespräch die Laune. Er war der Meinung, dass ihn die Schulen nur deswegen einluden, um sich ihn, dieses Monster, einmal aus der Nähe anzusehen.
    Er bittet seine Mutter, das Radio anzustellen. Sie wählt eine Station, macht das Gerät dann aber rasch wieder aus. Die Erinnerung daran, dass das Leben draußen in der Welt einfach weitergeht, ist zu schmerzlich.
    Nach ein paar Minuten auf dem Highway laufen Tränen über Lauries Gesicht. Sie klammert sich am Lenkrad fest.
    Jacob bemerkt nichts davon. Er ist in seine Gedanken versunken. Sein Blick ist nach vorne gerichtet, er schaut zwischen die Sitze vor ihm und beobachtet, wie die Autos sich in die Spuren einfädeln.
    Laurie blinkt und schwenkt nach rechts. Dort ist weniger Verkehr, und sie beschleunigt. Sie löst ihren Sicherheitsgurt und lässt ihn über die linke Schulter nach hinten gleiten.
    Jacob wäre erwachsen geworden. In ein paar Jahren wäre seine Stimme dunkler geworden, er hätte neue Freunde gefunden. Im Alter von zwanzig hätte er seinem Vater immer ähnlicher gesehen. Sein dunkler, intensiver Blick wäre weicher geworden und freundlicher, nachdem er die quälenden Teenagerjahre hinter sich gelassen hätte. Er wäre nicht so massig gewesen wie sein Vater, nur ein bisschen größer und vielleicht um die Schultern etwas breiter als die meisten Männer. Er hätte mit dem Gedanken gespielt, Jura zu studieren. Alle Kinder stellen sich vor, einmal den Beruf ihrer Eltern zu ergreifen, auch wenn es nur für kurze Zeit ist und dieser überhaupt nicht zu ihnen passt. Anwalt wäre er nicht geworden. Seiner Meinung nach wäre diese Arbeit für ihn zu extrovertiert, zu theatralisch und zu pedantisch gewesen, dazu war er zu zurückhaltend. Er hätte eine lange Zeit damit zugebracht, das Richtige zu finden, und alle möglichen Jobs angenommen, die nicht zu ihm passten.
    Als der Minivan schon mit hundertdreißig Stundenkilometern dahinrast, meint Jacob zu seiner Mutter: »Ein bisschen schnell, meinst du nicht, Mom?« Richtig besorgt ist er da noch nicht.
    »Meinst du?«
    Irgendwann hätte er sich mit seinem Großvater getroffen. Er war bereits neugierig auf ihn. Weil er selbst Probleme mit der Justiz hatte, wollte er sich umso mehr mit seinem Erbe auseinandersetzen und erfahren, was es für ihn bedeutete, der Enkel von Bloody Billy Barber zu sein. Die Legende – der Name, der furchterregende Ruf und der Mord, über den nicht viel zu erfahren war – war so viel großartiger als der dürre Alte, der am Ende nichts war als ein alter Gauner, wenn auch ein Gauner durch und durch. Jacob wäre damit irgendwie klargekommen. Er hätte sich anders verhalten als ich. Er war zu nachdenklich, um alles einfach zu verdrängen, zu löschen, zu vergessen. Er war zu nachdenklich, um sich selbst etwas vorzumachen. Aber er hätte sich damit abgefunden. Er wäre selbst vom Sohn zum Vater geworden, und erst dann hätte er wirklich begriffen, wie wenig das alles am Ende wirklich bedeutete.
    Nach einem unsteten Anfang hätte er sich schließlich irgendwo niedergelassen, an einem Ort, wo der Name Barber unbekannt war oder wo man wenigstens nicht genug mit ihm in Verbindung brachte, um sich darüber Gedanken zu machen. Irgendwo im Westen, nehme ich an, vielleicht sogar in Bisbee, Arizona. Oder in Kalifornien. Wer weiß? An irgendeinem dieser Ort hätte er irgendwann seinen eigenen Sohn in den Armen gehalten und dem Kleinen in die Augen gesehen – so wie ich selbst das mit Jacob viele Male getan habe –, und er hätte sich gefragt: Wer bist du? Woran denkst du gerade?
    »Alles klar, Mom?«
    »Natürlich.«
    »Was machst du da? Das ist gefährlich.«
    Die Geschwindigkeit nimmt zu. Der Minivan, ein Honda Odyssey, liegt recht schwer auf der Straße, seinem Namen zum Trotz, und er hat einen starken Motor, der ein hohes Tempo ermöglicht. Ich selbst war oft überrascht gewesen, wenn ich auf die Anzeige sah. Bei mehr als hundertvierzig Stundenkilometern fing er aber an, Geräusche zu machen, und saß nicht mehr so fest auf der Straße.
    »Mom?«
    »Jacob, ich liebe dich.«
    Jacob presst
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