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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)
Autoren: Edi Graf
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entriss ihr ein jugendlicher
Schwarzer in schmutzigem T-Shirt und zerschlissenen Jeans die Tasche und rannte
damit zum Heck der Fähre. Linda wurde von Panik erfasst. Alles, was sie an wichtigen
Dingen besaß, befand sich in der Umhängetasche.
    Wenn der
Dieb erst die Menschenmenge erreichte, die sich nach den Autos und Bussen noch auf
die Fähre gedrängt hatte, war es unmöglich, ihn noch zu erwischen. Er würde eintauchen
in dieser Masse von Hunderten Menschen, die meisten Schwarze wie er und ebenfalls
mit schmutzigen T-Shirts und zerschlissenen Jeans bekleidet. Sie boxte sich schreiend
durch die Gasse zwischen den qualmenden Fahrzeugen und setzte ihm nach. Durch ihre
Größe überragte sie die meisten Menschen auf der Fähre und sah ihn zwischen den
Autoreihen. Eine Gruppe japanischer Touristen war aus einem Nissanbus geklettert
und baute sich vor ihr zu einem Erinnerungsfoto auf.
    Linda stieß
einen Fluch aus und schrie um Hilfe. Sie drängte den Fotografen zur Seite und zwängte
sich durch die schimpfenden Japaner. Einer griff nach ihrem Hut, um sie festzuhalten.
Linda fauchte und stieß ihm den Ellbogen zwischen die Rippen. Der Japaner schrie
auf und rieb sich die getroffene Stelle. Lindas Hut fiel zwischen den Beinen der
Japaner auf die Bohlen, doch sie setzte die Verfolgung fort.
    Der Dieb
hatte das Menschenknäuel am Heck der Fähre fast schon erreicht. Eben wurden die
Rampen hochgefahren und die Fähre setzte sich langsam in Bewegung. Der Abstand zum
Ufer vergrößerte sich rasch. Linda sah keine Chance mehr, den Flüchtigen zu erreichen.
Noch mehrere Autos versperrten ihr den Weg. Auf Höhe des letzten Wagens drehte sich
der Junge grinsend nach Linda um und rannte weiter. Im selben Moment öffnete sich
die Fahrertür des sandfarbenen Landcruisers. Der Junge prallte mit dem Oberkörper
frontal gegen die Tür und ging taumelnd zu Boden.
    Linda kletterte
über die leere Ladefläche eines alten Datsun und drängte sich an einem grauen dreirädrigen
Lieferwagen vorbei. Der Junge lag für einen Augenblick benommen unter der offen
stehenden Wagentür. Der Fahrer des Landcruisers beugte sich heraus und ergriff Lindas
Tasche. Im selben Moment kam der Dieb zu sich und sah den Fahrer mit weit aufgerissenen
Augen an. Dieser gab ihm ein Zeichen, zu verschwinden, zog die Wagentür zu und beobachtete,
wie der Junge sich eilends aufrappelte und zwischen schimpfenden Menschen im Gewühl
verschwand. Mit einem Satz landete er im Wasser und schwamm die paar Meter ans Ufer.
    Im selben
Moment erreichte Linda den Landcruiser. Sie bückte sich zum Fenster und sah in ein
finsteres Dreitagebartgesicht. Das Fenster war geöffnet, doch der Fahrer schien
keine Notiz von ihr zu nehmen. Wortlos streckte er seinen Arm zum Fenster heraus.
Von seiner Hand baumelte ihre Umhängetasche. Verdutzt sah Linda zuerst in das Gesicht
des bärtigen Weißen, dann zu ihrer Tasche.
    »Na, nehmen
Sie schon!«, brummte er ungeduldig. Blöde Touristin, schien er zu denken.
    »Vielen
Dank – ich meine …«, stammelte sie.
    »Sie sollten
besser auf Ihre Sachen aufpassen. Das kann verdammt schief gehen in diesem Land!«
    Für einen
Moment hatte sie in seine Augen gesehen, die im Schatten einer Legionärsmütze lagen.
Stahlblaue Augen, die nicht lachen können, hatte sie damals gedacht. So war sie
Alan Scott zum ersten Mal begegnet …
     
    Und jetzt flog sie wieder nach Afrika.
Mit viel zu viel Gepäck! Na ja, den Koffer würde sie ja ohnehin allein schleppen,
den Aufpreis für Übergewicht bezahlen, und sich am Ende der Reise wieder wundern,
wie viel Klamotten sie umsonst mitgenommen hatte. Alan würde wieder einmal Recht
behalten haben, und das ärgerte sie schon jetzt.
    »Nimm nicht
zu viel mit!«, hatte er sie gewarnt, »wir können auf der Farm waschen, und unterwegs
kannst du auch zweimal dasselbe anziehen.«
    Doch Linda
hatte eben ihre eigene Vorstellung, was Kleidung im Urlaub betraf, trug auch in
einer Lodge gerne mal was Schickes am Abend und schlüpfte nicht gerne zwei Tage
hintereinander in dieselben verschwitzten Klamotten. Auch wenn das in Afrika keiner
roch, wie Alan immer sagte. Sie roch es, und es störte sie.
    Trotzdem
betrachtete sie etwas genervt den Kleiderberg auf ihrem Bett. »Auszug aus Ägypten?«,
würde ihre Freundin und Kollegin Babs scherzhaft fragen, wenn sie das sah. Ob das
alles überhaupt in die große Reisetasche passte? Und dann noch das Beautycase und
die Medikamentenbox? Die Bücher, die Schuhe, das Badetuch und der
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