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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht
Autoren: Cat Clarke
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Hinter-der-Tür-mit-einer-Vase-auflauern-Klassiker war mein absoluter Favorit. Das einzige Problem dabei: Ich habe keine Vase. Und irgendwie glaube ich nicht, dass ein Kissen besonders hilfreich sein würde. Aber ich könnte es wenigstens versuchen . Ihm in die Eier treten, einen Finger ins Auge bohren, ein paar Bruce-Lee-mäßige Moves hinlegen (nicht, dass ich irgendwelche Bruce-Lee-mäßigen Moves draufhätte, aber man könnte ja improvisieren). Ich habe keine Ahnung, warum ich bis jetzt nichts in der Art versucht habe. Vielleicht hat er mich mit einer Art Voodoo-Zauber gefügig gemacht. Ja, das muss es sein.
    Also, wo war ich? Ah genau. Bei dem total entwürdigenden Betteln und Schniefen und Nach-dem-Warum-Fragen. Er hörte zu und sah mich mit diesen rauchigdüstersexy Augen an. Er wirkte bekümmert. Als täte ich ihm tatsächlich leid. Als würde esihm wirklich was bedeuten. Ich kapier’s nicht. Wie kann er mich so ansehen und mir das TROTZDEM antun? Wenn er will, dass ich weniger jammere/bettle, dann sollte er mich VERDAMMT NOCH MAL GEHEN LASSEN, ODER ?
    Als ich schließlich als ein weinendes Häufchen Elend auf dem Boden lag, sagte er leise: »Grace, es muss sein. Du kannst nichts dagegen tun. Es tut mir leid.« Er drehte sich um und öffnete die Tür, und mit einem letzten, absolut nervenden »Es tut mir leid« verschwand er. Ich hämmerte mit den Fäusten an die Tür, bis meine Hände ganz rot und geschwollen waren, und schrie: » ES MUSS NICHT SEIN! WENN DU MICH GEHEN LÄSST, SAGE ICH NIEMANDEM WAS DAVON! VERSPROCHEN! ETHAN? ETHAN! KOMM ZURÜCK … BITTE, ETHAN, KOMM ZURÜCK !« Wieder und wieder und wieder. Irgendwann ließ ich mich an der Tür hinabgleiten und lehnte mich mit dem Rücken dagegen – noch verzweifelter als zuvor.
    Gestern war also richtig scheiße. Heute ist es besser, aber nicht viel. Zum einen tun mir die Hände schweineweh. Sich die Hände zu Brei zu schlagen ist nicht unbedingt die beste Idee, wenn die einzige Beschäftigung, die man hat, SCHREIBEN ist. Dumme Kuh.
    Bevor ich wieder zur Tragischen Geschichte von Grace Carlyles eigentlich letzter Nacht auf Erden komme, könnte ich ja mal mein Zimmer/Verlies/Sonst was beschreiben. Es ist wirklich ganz hübsch.
    Mein Zimmer / Verlies / Sonst was – sieben Punkte
Es ist fast doppelt so groß wie mein Zimmer zu Hause. Die Wände, die Decke und der Boden sind so weiß, wie sie nur sein können. Es riecht auch frisch gestrichen.
Das Bad. Wieder weiß. Toilette, Waschbecken, Dusche. Zwei weiße Handtücher (die Ethan jeden Tag mitnimmt und gegen neue, alpenfrische austauscht). Unter dem Waschbecken sind sogar Putzmittel, aber da liegt er falsch,wenn er glaubt, dass ich die benutze. Das ist ja wohl die beste Gelegenheit für ein Mädchen, sich ohne Konsequenzen um die Hausarbeit zu drücken!
Das Fenster. Ja, das Fenster – das mag ich am wenigsten. Es ist verbarrikadiert (mit weißen Brettern natürlich). Leider hat Ethan ganze Arbeit geleistet. Selbst, wenn ich mich höchst dekorativ an die Wand presse, kann ich nur durch eine winzige Ritze in der unteren linken Ecke etwas Licht sehen. Man verliert schnell das Gefühl dafür, wann Tag und wann Nacht ist, aber ich geb mir die größte Mühe.
Das Bett. Wieder weiß (erkennt man da etwa ein Muster? Vielleicht hat Ethan irgendeinen Komplex oder so was? Reinheit. Unschuld. Jungfräulichkeit? Sorry, du hast die Falsche erwischt). Zwei weiße Kissen, eine weiße Decke, weißes Laken.
Tisch und Stuhl (weiß und weißer). Mitten im Zimmer, mit Blick auf die Tür. Papier und Stifte lagen auf dem Tisch, als ich am ersten Tag aufwachte. Es sind siebenundvierzig Stifte. Kugelschreiber. Mir wären Bleistifte lieber gewesen, aber in der Not frisst der Teufel dann ja wohl Fliegen und so was. Und wenn der Teufel keine Not hätte, würde er sich auch einen etwas bequemeren Stuhl organisieren. Mein Hintern ist taub. Jedenfalls sind hier auch drei riesige Haufen (Berge!) Papier.
Das Licht. Eine nackte Birne hängt an der Decke, gleich über dem Tisch. Um ehrlich zu sein, kann sie mit dem Rest der Einrichtung nicht mithalten.
Die Tür. Na ja, durch sie kommt man rein oder geht raus, aber da kann ich nicht mitreden. Sie hat kein Schlüsselloch. Es hört sich aber an, als wären auf der anderen Seite zwei Riegel. Scheint eine sehr stabile Tür zu sein.
    * * *
    Zeit für ein Nickerchen.
    * * *
    Gerade aufgewacht. Ich dachte, ich wäre zu Hause in meinem Bett. Und dann Bruchlandung auf dem Planeten Erde mit einem
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