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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht
Autoren: Cat Clarke
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paar Kapitel über ein Mädchen, das mir gespenstisch ähnelte. Langweilig . Ich hatte ihr sogar meinen zweiten Vornamen gegeben. Langweilig im Quadrat .
    Ich löschte es und fing an, eine Geschichte über einen psychotischen Gnom zu schreiben, der im Wald lauerte und auf nichtsahnende Schulmädchen wartete, um sie zu töten und zu essen. Auch langweilig. Aber lustig.
    Ich dachte den ganzen Nachmittag nicht mehr an Nat. Mich in den Geschichten zu verlieren tat mir gut. Alles war so geradeheraus. Die (meisten) Charaktere machten genau, was ich wollte. Ich zog die Fäden, und sie sprangen. Ich fühlte mich stark und gut und glücklich.
    Ungefähr um neun Uhr klingelte mein Handy mit einer Nachricht. Devon ging mir jetzt so richtig fies auf die Nerven. Warum ließ er es nicht einfach sein?
    Aber es war diesmal nicht Devon. Es war Nat:
    »Kannst du jetzt vorbeikommen? Ich muss dich sehen.«
    Es war unerwartet, aber eine riesige Erleichterung. Ich antwortete und sagte, dass ich in einer halben Stunde da sein würde. Dann zog ich mich um. Ich sah in den Spiegel und holte tief Luft: besser, wenn wir heute Abend alles klärten. Als Erstes würde er um Vergebung betteln müssen, weil er gelogen hatte, dann würde er darum betteln müssen, mit mir zu schlafen. Und diesmal würde ich ihn nicht abweisen.
    * * *
    Devon wartete an der Haustür wie ein dämlicher Pförtner. Er wollte etwas sagen, aber ich hob meine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    »Nein. Ich hab dir nichts zu sagen. Ich bin hier, um deinen Bruder zu sehen.«
    Devon schüttelte den Kopf und sagte leise: »Ich wollte dir gerade sagen, dass er oben ist.«
    »Gut. Also dann, danke für die Info.« Ich schob mich an ihm vorbei. Er roch gut.
    Als ich die Treppe hochstapfte, spürte ich immer noch, dass er mich beobachtete, aber ich drehte mich um, nur um sicherzugehen. Er lehnte an der Tür und starrte mich an. Er sah gequält aus.
    Ich zögerte vor Nats Zimmer. Musik plärrte. Ein Song, den wir beide liebten. Ich lächelte.
    Meine Hand lag auf dem Türgriff. Ich fragte mich, ob ich anklopfen sollte. Aber er würde mich sowieso nicht hören. Und er erwartet mich schließlich …
    Ich öffnete die Tür.
    Ich sah eine Menge Dinge.
    Den Riss in der Decke, länger und breiter als zuvor.
    Ein Lehrbuch aufgeschlagen auf dem Boden mit gebrochenem Rücken.
    Ein Glas Wasser auf dem Schreibtisch, halb leer.
    Nat auf dem Bett.
    Mit Sal. Nicht mir.
    Meine Augen brachen und auch mein Gehirn.
    Er saß mit dem Rücken an der Wand. Sie hatte sich hingelegt. Ihr Kopf war auf seinem Schoß. Mein Kopf nicht. Er trug Jeans und sonst nichts. Sie trug Jeans und einen BH . Nackte Füße. Ich trug Turnschuhe.
    Er berührte ihren Arm. Nicht meinen.
    Er sah sie an und sie sah ihn an und ich sah die beiden an.
    Mein Herz quoll aus meinem Mund auf den Teppich.
    Ich sah sie an, und sie sahen mich an. Wir alle schauten, und keiner sprach.
    Musik plärrte.
    Eine Tür knallte und Füße rannten. Und rannten. Und rannten. Und rannten.
    Meine Augen waren gebrochen und auch mein Gehirn.
    Mein Herz starb auf dem Teppich.
    Meine Füße rannten schneller schneller SCHNELLER .
    * * *
    Ich landete im Park. Das Häuschen über dem Klettergerüst erwartete mich. Ich zog meine Knie an die Brust und versuchte verzweifelt, mich zusammenzuhalten, damit ich nicht in tausend Stücke zerfiel. Wenn ich losließ, würde niemand mehr all die Stücke zusammensetzen können.
    Mir war heiß und kalt und nichts.
    Mein Handy klingelte. Sal. Mein Handy klingelte. Nat. Mein Handy klingelte. Sal. Sal. Sal. Sal. Sal. Sal. Eine SMS . Mum: »Wo bist du? Sei bitte um Mitternacht zu Hause.«
    Ich: »Bleibe bei Sal. Bis morgen!«
    Alles, was ich sehen konnte, waren die zwei. Die falschen zwei.
    1 + 1 = 2
    1 + 1 + 1 = zu Scherben zerbrochenes Ich.
    * * *
    Eine SMS von Sal:
    »Grace, BITTE geh ans Telefon. Ich muss mir dir reden. ES TUT MIR LEID . Das sollte nicht passieren. Es ist scheiße gelaufen. BITTE ruf an. Wo bist du? Es tut mir leid. Ruf an. x«
    Ich warf das Handy aus dem Fenster. Ich würde es nicht brauchen.
    Ich musste dauernd an den BH denken, den sie getragen hatte. Den BH , den sie letztens gekauft hatte. Brandneue Unterwäsche für den besonderen Anlass. Den besonderen Anlass, meinen Freund zu vögeln.
    Ich musste daran denken, wie er ihren Arm berührt hatte. Diese leichte Vertrautheit, die nicht einfach aus dem Nichts kommt.
    Ich musste daran denken, wie sie sich angesehen hatten. Angestarrt.
    Ich musste denken
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