Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
es kalt erwischt. »Ich weiß es nicht. Es kam mir nie der Gedanke, dass jemand …« Sie rutschte auf dem Sitz in eine andere Position, damit sie Paula besser betrachten konnte. »Es wird anders sein als hier, musst du wissen. Im Vergleich zu Bradfield kann man die Zahl der Tötungsdelikte dort vergessen. Es wird viel mehr routinemäßige Kripoarbeit geben.«
    Paula verzog den Mund zu einem Lächeln. »Damit könnte ich leben. Ich glaub, ich hab meinen Teil an der Front und mit harten Fällen abgeleistet.«
    »Dagegen lässt sich nichts einwenden. Wenn du das willst, werde ich mein Bestes tun, damit es klappt«, erwiderte Carol. »Aber ich dachte, du wärst hier ganz gut etabliert. Mit Elinor?«
    »Elinor ist nicht das Problem. Na ja, jedenfalls nicht in dem Sinn, wie Sie es meinen. Die Sache ist, sie möchte den nächsten Karriereschritt machen und hat von einer guten Stelle in Birmingham gehört. Und niemand, der halbwegs vernünftig ist, würde von Bradfield nach Birmingham pendeln. Deshalb …« Paula bremste leicht, als sie sich einer Kreuzung näherten, und schaute nach rechts und links, bevor sie hinüberflitzte. »Wenn sie das tut, muss ich mir was überlegen. Und wenn Sie nach West Mercia gehen, dachte ich, könnte ich doch meine Beziehungen nutzen.« Sie warf Carol einen Blick zu und grinste.
    »Ich werde sehen, was ich tun kann«, antwortete Carol. »Ich hätte niemanden lieber in meinem Team als dich«, fügte sie hinzu und meinte es ehrlich.
    »Mit dem Sergeant, mit dem wir bei den RigMarole-Morden zusammengearbeitet haben, kam ich wirklich sehr gut klar«, fuhr Paula fort. »Alvin Ambrose, mit dem würde ich gern wieder zusammenarbeiten.«
    Carol seufzte: »Ja, Paula, ich weiß. Es ist nicht nötig, noch weiter Druck zu machen. Aber es hängt letztendlich vielleicht nicht von mir ab. Du weißt ja, wie es zurzeit ist, die Kürzungen betreffen auch die Leute in vorderster Front.«
    »Ich weiß. Tut mir leid, Chefin.« Sie blickte stirnrunzelnd auf das Navi und bog zögernd links in ein kleines Gewerbegebiet ein, wo Lagerhäuser aus vorgefertigten Teilen mit ihren leicht abfallenden Dächern die gekrümmte Straße säumten. Als sie die letzte Windung hinter sich hatten, wusste Paula, dass sie den Zielort erreicht haben mussten. Mehrere Polizeiwagen und Fahrzeuge von der Spurensicherung standen auf dem Gelände des letzten Lagerhauses; das Blaulicht hatte man abgeschaltet, um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Aber es konnte kein Zweifel bestehen, denn die flatternden Bänder der Polizeiabsperrung liefen um das ganze Gebäude herum. Paula hielt an, stellte den Motor ab und straffte die Schultern. »Jetzt übernehmen wir.«

    Bei solchen Gelegenheiten wurde Carol immer schmerzlich bewusst, dass es, egal wie gut sie in ihrem Beruf war, doch nie genügen würde. Immer erst nach dem Verhängnis einzutreffen, das wurde für sie immer schwieriger zu ertragen, je länger sie diese Arbeit machte. Sie wünschte, Tony wäre bei ihr, und nicht nur, weil er den Tatort auf eine andere Weise als sie interpretieren könnte. Er hatte Verständnis für ihren Wunsch, Vorfälle wie diesen zu verhindern, Ereignisse, die das Leben der Menschen in Stücke rissen und sie mit tiefen Löchern im täglichen Leben allein ließen. Carol sehnte sich nach Gerechtigkeit, fand aber, dass diese sich zurzeit recht rarmachte.
    Detective Superintendent Reekie hatte nicht viel gesagt, und sie war froh darüber. Manche Dinge gingen über Worte hinaus, und zu viele Cops versuchten, den Horror durch Geplapper fernzuhalten. Aber bei einem solchen Anblick konnte nichts Distanz schaffen.
    Die Frau war nackt. Carol konnte mehrere oberflächliche Schnitte auf ihrer Haut erkennen und fragte sich, ob der Mörder ihre Kleidung abgeschnitten hatte. Sie würde den Fotografen von der Spurensicherung bitten, Aufnahmen davon zu machen, damit man sie vergleichen konnte, wenn die Kleider gefunden wurden.
    Der Frauenkörper war mit starken Nägeln durch die Hand- und Fußgelenke an ein Kreuz geschlagen. Carol zuckte zusammen bei dem Gedanken, wie sich das angehört haben musste, der Hammer, der auf die Nägel traf, das Knirschen der Knochen, der Todesschrei, der von den metallenen Wänden zurückgeworfen wurde. Dann war das Kreuz verkehrt herum an der Wand aufgerichtet worden; das blond gefärbte Haar, dessen Ansatz an der Stirn eine dunkle Linie bildete, fiel herab und berührte den grobkörnigen Zementboden.
    Aber es war nicht die Kreuzigung, die sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher