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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman
Autoren: Iris Kammerer
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genommen hätte und auf seinem Landgut säße. Mochte es noch so annehmlich sein, durch blühende Weingärten und im Sommerwind flirrende Olivenhaine zu wandeln, um den eigenen Besitz zu begutachten, so könnte ihm das dennoch nie den Stolz ersetzen, den er in Augenblicken wie diesem empfand, wenn die ihm anvertrauten, seinem Befehl unterstellten Soldaten vom Feldherrn oder Statthalter gemustert wurden.
    Sein linker Mundwinkel zuckte. Der Abschied wurde ihm ein wenig leichter gemacht. Der Statthalter verstand nicht viel von soldatischen Tugenden, und die Barbaren in den Gebieten zwischen Rhenus und Albis waren bei aller Wildheit letztlich gebändigt und gezähmt, ihre Grausamkeit während der Niederschlagung der Aufstände in der Pannonia nutzbringend eingesetzt worden. Hier würde er sich keinen Kriegsruhm mehr erwerben, was er insgeheim bedauerte,
denn weiterer Kriegsruhm hätte ihm auch weitere Beute und Donationen eingebracht. Dann hätte er einige Äcker und Haine mehr erwerben können, vielleicht sogar das benachbarte Dorf. Aber die Verletzungen aus dem letzten Krieg hatten ihn nachhaltig geschwächt. Er hatte auch von einer Beförderung zum Lagerpraefecten abgesehen, weil er befürchtete, in einigen Jahren nicht mehr imstande zu sein, das Landgut zu bewirtschaften.
    Der durchdringende Klang mehrerer Bucinen verkündete das Eintreffen des Statthalters. Caelius kehrte mit großen Schritten zu seinem Platz vor den Soldaten zurück und richtete den Blick auf den gegenüberliegenden Hügel, während ein leichter Wind seine Nase streichelte und sich in ein paar schütteren Strähnen unter dem Rand seines Helms verfing.
    Stimmen näherten sich, Hufschlag. Caelius reckte das Kinn ein wenig höher. Der Wimpel der ersten Centuria schlug leise gegen die Stange, als der Schimmel des Publius Quinctilius Varus heranschritt.
    »Mein lieber Marcus Caelius«, ertönte Varus’ geübte Advocatenstimme, noch ehe der Centurio ihn hatte begrüßen können. Der Statthalter glitt vom Pferd, ohne die Hilfe des neben ihm stehenden Volontarius in Anspruch zu nehmen, und legte seine Hand auf Caelius’ Schulter, bevor er mit ihm zusammen an den stramm aufgerichteten Soldaten der ersten Reihe entlangging.
    »Ich werde dich vermissen, Marcus Caelius. Du bist einer der tüchtigsten Centurionen, einer der zuverlässigsten, und ich bedaure, dass du aus dem Dienst scheidest.«
    Wieder ein Schulterklopfen. Caelius spürte, dass sein Lächeln zu einem schiefen Grinsen geriet.
    »Ich hörte, du hast die Absicht, dich auf ein Landgut zurückzuziehen«, fuhr Varus munter fort.

    Nickend folgte Caelius dem Druck der Hand des Statthalters.
    »Wohin zieht es dich eigentlich?«
    »In die Gegend von Luceria«, erwiderte Caelius.
    »In die bittersüße Apulia! Was wirst du machen? Schafe züchten? Trauben anbauen und Wein keltern?«
    »Das Gut umfasst Weinberge und Ölhaine. Aber noch gehört es mir nicht. Die Übergabe wird erst erfolgen, wenn ich dort eingetroffen bin.«
    Bedächtig den Kopf wiegend, wandte der Statthalter sich wieder den Soldaten zu, ließ den Blick über die blanken Rüstungen und glänzenden Schildbuckel schweifen. »Du wirst deinen Dienst vermissen, Marcus Caelius.«
    Der Centurio trat beiseite und deutete auf die kleine Schar der Unteroffiziere. »Wenn Beförderungen anstehen, würde es mich stolz machen zu erfahren, dass mein Optio Lucius Opimius in den Rang eines Centurio aufsteigt.«
    »Ich habe deine Empfehlung erhalten.« Varus winkte einen der Stabsschreiber zu sich, die ihn in gebührendem Abstand begleiteten; im Näherkommen fischte der Mann eine Wachstafel aus dem Stoß, den er bei sich trug, und reichte sie dem Statthalter.
    »Im Laufe des kommenden Winters wird es Veränderungen geben bei den Legionen entlang des Rhenus«, fuhr Varus fort. »Ich gehe davon aus, dass sich für einen tüchtigen Soldaten, der sich bereits als Optio bewährt hat, eine angemessene Aufgabe finden wird.«
     
    Im Vorraum der geräumigen Wohnung am Ende der Baracke, die Marcus Caelius mit seinen beiden Freigelassenen teilte, empfing den Centurio und seinen Optio der warme Duft gegrillter Würstchen und frisch gebackenen Fladenbrots.
Caelius berührte den Türpfosten mit den Fingerspitzen der Rechten und murmelte einen lautlosen Dank, bevor er die Stube betrat. Vor dem Herd kniete Thiaminus und drehte die Würstchen, die auf dem Rost über der Glut brutzelten. Der junge Mann erhob sich flink, nahm zwei Teller vom Bord und stellte sie auf den
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