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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch
Autoren: Brian Freeman
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und verzog das Gesicht. »Oh, Mann. Ich sage nur zwei Worte, Jonny: Star. Buck’s.«
    Stride musste wider Willen lächeln.
    »Schon besser«, bemerkte Serena.
    »Hör mal, du musst dir wirklich keine Sorgen um mich machen«, sagte Stride zu ihr. »Ich komme schon klar. Du hast doch gerade selbst genug um die Ohren.«
    »Weil ich jemanden erschossen habe, meinst du? Und weil ich gerade sechs Stunden damit verbracht habe, das mit den Leuten vom Internen Dienst etwa fünfhundert Mal durchzugehen? Das ist doch nichts Besonderes.«
    »Na ja.«
    Serena zuckte die Achseln. »Die werden mich zu einem Therapeuten schicken, genau wie früher. Und weinen werde ich auch irgendwann.« Sie betrachtete ihre Schuhe, an denen immer noch Wüstenstaub und Blut klebte. »Willst du die Wahrheit hören, Jonny? Es war leicht. Viel zu leicht.«
    Darauf brauchte Stride nichts zu erwidern.
    Die umfangreiche Sachbearbeiterin kam wieder aus dem Büro und hielt ein Funkgerät ans Ohr. »Ihr Auto ist gerade gekommen, Schätzchen. Meine Jungs bringen es her.«
    Stride spürte, wie sich alles in ihm zusammenkrampfte. »Was machen Sie normalerweise, wenn ein Auto zurückkommt? Staubsaugen und den Bodenbelag waschen?«
    »Genau«, erwiderte sie.
    »Auch den Kofferraum?«
    Sie zuckte die Achseln. »Nur, wenn einer reingekotzt hat. Ist alles schon vorgekommen, Schätzchen.«
    »Und Sie sind ganz sicher, dass das die erste Vermietung seit dem letzten Wochenende war? Dazwischen hatte es wirklich niemand?«
    »Kein Mensch.«
    Ein paar Minuten später parkte ein junger Mann den Cavalier vor dem Bürogebäude, mit offener Fahrertür und laufendem Motor. Stride und Serena streiften Handschuhe über und gingen nach draußen. Stride hatte eine Halogentaschenlampe aus Serenas Wagen mitgenommen, die er jetzt auf den Rücksitz des Wagens richtete.
    Der Wagen war sauber, kein Müll, kein herumliegendes Papier. Stride kniete sich hin, leuchtete mit der Taschenlampe sorgfältig unter beide Sitze und untersuchte den Boden. Dann verbrachten Serena und er eine halbe Stunde damit, den Bezug der Rückbank Quadratzentimeter für Quadratzentimeter abzusuchen. Aber sie fanden nichts.
    Stride richtete sich auf. »Schauen wir uns den Kofferraum an.«
    »Sie war wahrscheinlich in eine Decke gewickelt«, erinnerte ihn Serena. »Die vom Bett hat gefehlt.«
    »Auch Decken hinterlassen Spuren«, erwiderte Stride.
    Es dauerte nicht lange. Sie öffneten den Kofferraum, Stride leuchtete hinein und sah fast im selben Moment den münzgroßen, bräunlichen Fleck am Rand des Teppichbodens. Er hielt die Lampe weiter auf den Fleck gerichtet, während Serena sich hineinbeugte, um ihn sich genauer anzusehen.
    »Kann durchaus Blut sein«, sagte sie leise. Dann fügte sie hinzu: »Da ist noch was.«
    Er sah zu, wie sie in die Hosentasche griff und eine Pinzette hervorholte. Sie zog etwas heraus, was sich in einer metallenen Ecke des Kofferraums verfangen hatte. Dann richtete sie sich wieder auf und hielt die Pinzette in den Strahl der Taschenlampe. Stride beugte sich vor und sah ein dünnes, blondes Haar mit pechschwarzer Wurzel.
    »Das muss nichts heißen«, sagte Serena. »In dieser Stadt färbt sich praktisch jeder die Haare.«
    Aber sie wussten beide, was es hieß.
    »Ich muss zurück«, sagte Stride.
    Die Sachbearbeiterin stand in der Tür und schwenkte ihr Klemmbrett. »He, Leute, wie sieht’s jetzt aus? Kriege ich meinen Cavalier jetzt wieder? Sonst muss ich mir nämlich ein anderes Auto suchen, oder jemand muss zu Fuß gehen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Stride und Serena wechselten einen langen, ernsten Blick. Die Entscheidung lag bei ihr, doch Stride wusste, dass es eigentlich nur einen Weg gab. Sie musste den Wagen beschlagnahmen, die Forensiker rufen, die Beweisstücke katalogisieren und damit seine ganze Welt zum Einsturz bringen.
    Serena wandte den Blick ab. Sie schloss die Kofferraumklappe mit einem Knall und winkte der Sachbearbeiterin zu.
    »Nehmen Sie ihn«, sagte sie.

18
    Stride fand Andrea allein in ihrem Büro im zweiten Stock, wo sie inmitten der Grabesstille des leeren Schulgebäudes Klausuren korrigierte. Die Bürotür stand offen. Sie hielt den Kopf gesenkt und war ganz auf ihre Arbeit konzentriert. Sie hatte seine Schritte auf der Treppe nicht gehört.
    Unwillkürlich musste er an ihre erste Begegnung hier denken. Damals waren sie beide so verletzt gewesen, zwei Menschen, die plötzlich auf sich allein gestellt waren, obwohl sie fest damit gerechnet hatten,
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