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Ungezaehmte Nacht

Ungezaehmte Nacht

Titel: Ungezaehmte Nacht
Autoren: Christine Feehan
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reich geschnitzten Möbel mit einem anerkennenden Murmeln zur Kenntnis zu nehmen. Selbst das breite Bett mit der dicken Daunendecke nahm sie nur am Rande ihres Bewusstseins wahr. Sie hatte ihren ganzen Mut und all ihre Kraft aufwenden müssen, um an diesen Ort zu gelangen und den schwer erreichbaren Don Nicolai DeMarco zu sehen.
    »Seid Ihr sicher, dass er mich heute Abend nicht mehr empfangen wird?«, fragte Isabella. »Ich könnte mir vorstellen, dass er seine Meinung ändern würde, wenn Ihr ihn nur wissen ließet, wie dringend mein Besuch ist. Bitte, Signora , wollt Ihr es nicht wenigstens versuchen?« Isabella streifte die pelzgefütterten Handschuhe ab und warf sie auf die reich verzierte Frisierkommode.
    »Allein schon durch Euer Erscheinen an diesem verbotenen Ort weiß der Herr, dass Euer Anliegen von größter Bedeutung für Euch ist. Ihr müsst allerdings verstehen, dass es für ihn nicht wichtig ist. Er hat seine eigenen Probleme, mit denen er sich befassen muss«, sagte Sarina freundlich, aber entschieden, und wandte sich zum Gehen. Dann blieb sie in der Tür jedoch noch einmal stehen, warf einen Blick auf den Gang hinaus und sah sich schnell im Zimmer um, bevor sie sich wieder Isabella zuwandte. »Ihr seid sehr jung. Hat man Euch nicht vor diesem Ort gewarnt? Wurde Euch nicht befohlen, Euch von hier fernzuhalten?« Ein leiser, aber unüberhörbarer Tadel schwang in ihrer Stimme mit. »Wo sind Eure Eltern, piccola? «
    Isabella ging zur anderen Seite des Zimmers und vermied es, die Frau anzusehen, weil sie befürchtete, dass ihr mitleidiger Ton ihr zum Verhängnis werden könnte. Am liebsten hätte sie sich zusammengerollt wie ein Häufchen Elend und geweint, nicht nur um ihre verlorene Familie, sondern auch der schweren Bürden wegen, die nun auf ihren schmalen Schultern lasteten. Doch sie nahm sich zusammen und hielt sich an einem der mit kunstvollen Schnitzereien bedeckten Pfosten des breiten Bettes fest. »Meine Eltern sind vor langer Zeit verstorben, Signora «, antwortete sie mit kühler, unbewegter Stimme, aber ihre Hand umklammerte den Bettpfosten noch fester, bis ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. »Ich muss mit Don DeMarco sprechen. Falls ihr die Möglichkeit habt, ihm etwas auszurichten, sagt ihm doch bitte, dass es eilt und meine Zeit sehr kurz bemessen ist.«
    Die Dienerin kam ins Zimmer zurück und zog die Tür hinter sich zu. Sofort schien die scheußliche, klebrige Dichte der Luft des Palazzos sich zu verflüchtigen, und Isabella spürte, wie die Enge in ihrer Brust nachließ und sie wieder freier atmen konnte. Auch einen seltsamen Duft bemerkte sie, der aus dem heißen Wasser in der für sie bereitstehenden Wanne aufstieg, einen frischen, sauberen, blumig riechenden Duft, dem sie noch nie zuvor begegnet war. Sie atmete ihn tief ein und war dankbar für die heiße Tasse Tee, die ihr von der Wirtschafterin in die zitternde Hand gedrückt wurde.
    »Trinkt das, Signorina! «, ermutigte Sarina sie. »Es wird helfen, Euch aufzuwärmen, so durchfroren, wie Ihr seid. Und trinkt die Tasse bis auf den letzten Tropfen aus – ja, so ist es gut, mein Kind.«
    Der Tee half tatsächlich, Isabella von innen heraus aufzuwärmen, aber trotzdem hatte sie irgendwie das Gefühl, dass ihr nie wieder richtig warm werden würde. Noch immer fröstelnd, blickte sie zu Sarina auf. »Ich komme jetzt allein zurecht, Signora . Ich will Euch wirklich keine Mühe machen. Das Zimmer ist sehr hübsch, und ich habe alles, was ich brauche. Übrigens ist mein Name Isabella Vernaducci.« Das Bett sah bequem aus, das Feuer war anheimelnd und warm. Trotz des einladenden, dampfend heißen Wassers in der Wanne wollte Isabella sich jedoch nur noch aufs Bett fallen lassen und schlafen, sobald die Dienerin gegangen war. Ihr fielen schon jetzt die Augen zu, so sehr sie sich auch bemühte, wach zu bleiben.
    »Der Herr würde wollen, dass ich Euch behilflich bin. Ihr schwankt ja vor Erschöpfung, Signorina . Wenn meine Tochter so weit weg von zu Hause wäre, würde ich mir auch wünschen, dass ihr jemand hilft. Bitte erlaubt mir, Euch behilflich zu sein!«, sagte Sarina und nahm Isabella schon den Umhang von den Schultern. »Kommt, Signorina! Ein heißes Bad wird Euch schneller aufwärmen. Ihr zittert ja noch immer.«
    »Ich bin so müde.« Die Worte entschlüpften Isabella, bevor sie es verhindern konnte. »Ich will einfach nur noch schlafen.« Selbst in ihren eigenen Ohren hörte sie sich sehr jung und hilflos an.
    Sarina
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