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Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden

Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden

Titel: Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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hatte, und als verbreite es sich von dort aus in ihrem ganzen Körper. Gleichzeitig begann es um sie herum nach Blumen zu duften und sie hörte das Rauschen von Blättern im Wind.
    Anita drückte fester gegen das Papier, und das traurige Gefühl, aber auch die anderen Empfindungen wurden stärker.
    Auf einmal erklang in ihrem Kopf ganz klar und deutlich die Stimme der Frau aus dem Bild.
    »Hilfe«, sagte sie. »Ich bitte dich, hilf mir!«
    Anita zuckte zusammen und zog rasch ihre Hand weg. Der Schreck hatte sie in die Wirklichkeit zurückgeholt.
    Jetzt hörte sie im Flur die Schritte ihrer Mutter − und ihre Stimme: »Anita! Anita! Bist du immer noch in der Badewanne?«
    Schnell stand sie auf. Sie war noch ganz benommen von dem, was sie gefühlt und gehört zu haben glaubte, aber sie wollte nicht, dass ihre Mutter den Umschlag sah und die Sachen, die darin gewesen waren. Sie versteckte alles eilig unter einem Stapel Handtücher, streifte den Bademantel ab und sprang keine Sekunde zu früh in das heiße Wasser.
    Ihre Mutter klopfte kurz, öffnete die Badezimmertür und wich angesichts der Wasserdampfwolke einen Schritt zurück.
    »Anita«, sagte sie und wedelte mit beiden Händen den Dampf von sich fort. »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«
    »Klar, Mama«, antwortete sie, wobei sie sich beherrschen musste, nicht aus dem kochend heißen Wasser zu springen. Rasch drehte sie den Wasserhahn zu.
    »Kannst du nicht ein einziges Mal einfach nur ein Bad nehmen, ohne dabei so ein Chaos anzurichten?«, sagte ihre Mutter vorwurfsvoll. Durch Anitas Sprung war eine große Welle übergeschwappt und hatte den Fußboden überflutet.
    »Tut mir leid. Ich wische es nachher auf.«
    »Und es ist ganz bestimmt alles in Ordnung?«
    »Klar doch«, antwortete Anita und nickte bekräftigend.
    »Du solltest nicht so heiß baden«, meinte Mrs Bloom.
    »Oh Mama, geh raus. Geh raus oder ich schreie!«
    Ihre Mutter grinste. »Ich warte im Bett auf dich. Pass wenigstens auf, dass deine Haare nicht nass werden.«
    Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, schoss Anita auch schon mit krebsroter Haut aus der Wanne. Sie trocknete sich rasch ab und dachte dabei über das nach, was kurz zuvor geschehen war. Sie musste sich geirrt haben. Sie hatte sich von den ungewöhnlich lebensnahen und ausdrucksvollen Bildern beeindrucken lassen. Sie hatte
geglaubt
, diese Stimme wäre in ihrem Kopf gewesen. Ihre Mutter hatte vor der Tür »Anita« gerufen, und ihr war es vorgekommen, als höre sie einen Hilferuf.
    So musste es gewesen sein.
    Anita beruhigte sich allmählich. Sie ließ das Wasser ablaufen und suchte in ihrer inzwischen beachtlichen Sammlung von Gratisproben nach einer geeigneten Hautcreme. Nachdem sie sich damit eingerieben hatte, zog sie den Schlafanzug an und putzte sich in aller Seelenruhe die Zähne.
    Anschließend öffnete sie die Tür und spähte in den Flur hinaus. Ihr Mutter lag schon im Bett.
    Prima.
    Sie holte Morice Moreaus Sachen unter den Handtüchern hervor und lief in das Zimmer, in dem ihre Bücher untergebracht waren − ihre kleine Bibliothek. Die große war bei ihrem Vater in London geblieben.
    Anita zog die Schublade auf, in der sie ihre Schulsachen verwahrte, und wollte gerade alles hineinlegen, als sie wieder die Neugier überkam. Sie schluckte kurz und schlug das Buch erneut auf. Zu ihrer großen Überraschung war der Rahmen aus Blumenranken auf einmal leer. Die Frau war verschwunden.
    Wie konnte das sein?
    Anita blätterte nach vorne und schlug eine Seite mit einem anderen Rahmen auf. Er befand sich neben der Zeichnung eines brennenden Schlosses. Soweit sie sich erinnern konnte, war dieser Rahmen leer gewesen, als sie das Buch zum ersten Mal in der Hand gehalten hatte.
    Jetzt war in dem Rahmen jedoch ein Mann, der auf einem hohen Stapel von Stühlen saß. Mit einem überlangen schwarzen Schirm ausgerüstet, bemühte er sich nach Kräften, das Gleichgewicht zu halten. Anita fand das Bild lustig, gleichzeitig ging von ihm aber etwas Beunruhigendes aus. Eine Gänsehaut kroch über ihren Rücken. Sie drehte sich um. Ihr war mit einem Mal, als hätte sie etwas hinter sich gespürt.
    In der Wohnung war es jedoch so still, dass sie ihre Mutter in einem Buch blättern hörte.
    Sie schaute wieder auf das Heft. Der Mann balancierte immer noch in seinem Rahmen auf den übereinandergestapelten Stühlen. Anita hatte sich das nicht eingebildet.
    Sie legte ihre Fingerspitzen auf das Bild. Und sofort spürte sie, wie ein
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