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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder
Autoren: Ernest Hemingway
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Weiden, die neben den Gräben standen, und den Feldern voller Maulbeerbäume. Vor ihnen fuhr ein Mann auf einem Rad, der seine Zeitung mit beiden Händen hielt und las.
    «Wenn es sich um schwere Bomber handelt, sollte es wohl eine ganze Meile sein», sagte der Fahrer. «Würde das wohl ungefähr stimmen, Sir?»
    «Wenn es lenkbare Geschosse sind», sagte der Colonel, «sagen wir wohl besser zweihundertundfünfzig Meilen. Hupen Sie mal lieber für den Radler.»
    Der Fahrer tat es, und der Mann fuhr an den Straßenrand, ohne aufzusehen oder die Lenkstange zu berühren. Als sie an ihm vorbeikamen, versuchte der Colonel zu sehen, was für eine Zeitung er las. Aber sie war umgeschlagen.
    «Wahrscheinlich täte man heutzutage besser, sich weder ein schönes Haus noch eine Kirche zu bauen, noch den – wer sagten Sie, wie hieß er noch? – zum Freskenmalen zu bestellen.»
    «Giotto», sagte der Colonel. «Aber es könnte auch Piero della Francesca oder Mantegna sein. Könnte auch Michelangelo sein.»
    «Wissen Sie viel über Maler, Sir?» fragte der Fahrer.
    Sie waren immer noch auf der geraden Strecke der Chaussee und fuhren so schnell, daß ein Gehöft fast mit dem nächsten verschwamm und überblendete, und man konnte nur das sehen, was weit entfernt war und einem entgegenkam. Die seitliche Sicht war einfach eine Zusammenraffung von flachem Tiefland im Winter. Ich glaube nicht, daß ich mir was aus Geschwindigkeit mache, dachte der Colonel. Breughel wär ja in einer verdammten Lage gewesen, wenn er das Land so hätte sehen müssen.
    «Maler?» antwortete er dem Fahrer. «Ich weiß allerhand über Maler, Burnham.»
    «Ich bin Jackson, Sir. Burnham ist oben im Erholungszentrum von Cortina. Das ist ein großartiger Ort, Sir.»
    «Ich fange an zu verblöden», sagte der Colonel. «Entschuldigen Sie, Jackson. Es ist ein großartiger Ort. Guter Fraß. Gut geleitet. Keiner, der einen belästigt.»
    «Jawohl, Sir», stimmte Jackson bei. «Ja, und der Grund, warum ich wegen Malern frage, sind diese Madonnen. Ich fand, ich müßte mir ein paar Bilder ansehen, also ging ich da in den Riesenkasten in Florenz.»
    «Die Uffizien, den Pitti?»
    «Wie er auch immer heißt. Den größten. Und ich sah mir da die Bilder an, bis mir die Madonnen zum Hals heraushingen. Ich sag Ihnen, Colonel, ein Mann, der in der Malerei nicht ausgelernt hat, kann gerade nur ‘ne bestimmte Menge Madonnen sehen, und dann schmeißt’s ihn um. Kennen Sie meine Theorie? Sie wissen doch, wie verrückt die Leute hier mit Bambinis sind, und je weniger sie zu essen haben, um so mehr Bambinis haben sie und um so mehr sind unterwegs. Na, ich glaube, diese Maler waren wie alle Italiener große Bambini-Liebhaber. Ich kenne die da nicht, die Sie gerade erwähnt haben, darum schließe ich sie nicht in meine Theorie ein, und Sie sagen mir ja auf alle Fälle, ob ich mich irre, nicht wahr? Aber mir scheint’s, als ob diese Madonnen, von denen ich wirklich reichlich viel gesehen habe, Sir, es scheint mir, als ob diese ganz gewöhnlichen Madonnenmaler sozusagen eine Art von Bestätigung dieser ganzen Bambino-Geschichte sind, wenn Sie verstehen, was ich meine.»
    «Plus der Tatsache, daß sie auf religiöse Themen beschränkt waren.»
    «Jawohl, Sir. Dann glauben Sie also, daß was an meiner Theorie dran ist?»
    «Gewiß. Ich glaube nur, daß es ein bißchen komplizierter ist.»
    «Natürlich, Sir. Es ist ja erst eine vorläufige Theorie.»
    «Haben Sie noch andere Theorien über Kunst, Jackson?»
    «Nein, Sir. Weiter als bis zu dieser Bambino-Theorie bin ich noch nicht gekommen. Was ich mir jedoch wünschte, wäre, daß sie ein paar gute Bilder von dem Hochland oben um das Erholungszentrum in Cortina malen würden.»
    «Tizian kam aus der Gegend», sagte der Colonel. «So sagt man wenigstens. Ich war unten im Tal und hab das Haus gesehen, in dem er geboren sein soll.»
    «War es was Besonderes, Sir?»
    «Nicht sehr.»
    «Na, wenn er irgendwelche Bilder von der Gegend da oben herum malen würde mit den sonnenuntergangsfarbenen Felsen und Tannen und dem Schnee und all den spitzen Türmen…»
    «Campaniles», sagte der Colonel. «Wie der da vor uns in Ceggia. Es bedeutet Glockenturm.»
    «Na, wenn er einige wirklich gute Bilder von der Gegend da malte, würde ich ihm liebend gern ein paar abhandeln.»
    «Er hat viele wunderbare Frauen gemalt», sagte der Colonel.
    «Sagen wir mal, ich hätte ein Lokal oder ein Gasthaus oder irgendeine Art Wirtschaft, da könnte ich so was
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