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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume
Autoren: Klaus Fischer
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fügen.
    Satti. So hatte man mich in meiner Jugend gerufen, als ich noch mit der Korona unterwegs war. Mila nannte mich nur dann so, wenn sie mir ganz nahe sein wollte.
    Ich konnte meine Enttäuschung nicht mehr verbergen. »Das kommt dir doch gelegen, dass du in die Redaktion musst.«
    »Was soll das denn nun heißen?«
    »Es ist doch kein Geheimnis, dass du mit meiner Mutter nicht so gut kannst. Jetzt hast du einen Grund, nicht mitzumüssen.«
    Sie schaute mich fassungslos an. »Ich habe mich auf den Besuch bei Huguette ebenso gefreut wie du.« Ihre Augen funkelten böse.
    Sofort bemühte ich mich schuldbewusst um Schadensbegrenzung. »Ich hole den Koffer wieder aus dem Auto«, entgegnete ich.
    Mila nickte und nahm Maja auf den Arm. Einen Moment kämpfte die Kleine mit den Tränen. Dann gelang es Mila, sie zu besänftigen.
    Zwanzig Minuten später hielt ich in zweiter Reihe vor dem Bürohaus auf der Großen Eschenheimer Straße, wo Frankfurt-TV im vierten Stock untergebracht war. Auf der gesamten Fahrt sagte Mila kein Wort. Ich schaltete den Warnblinker an.
    Sie starrte hinaus auf die Straße. »Vielleicht ist es ganz gut, dass wir uns ein paar Tage nicht sehen. Die Redaktion ist derzeit der einzige Ort, an dem ich nachdenken kann.«
    »Nachdenken worüber?«
    »Wir streiten uns so häufig wie noch nie. Und dann muss ich mir solche Sachen wie eben von dir sagen lassen.«
    Sie drehte den Kopf nach hinten zur Rückbank und pustete Maja einen Kuss zu. »Tschüs, mein Schatz, und hab viel Spaß.«
    »Kuss! Kuss!«, rief Maja. Mila stieg aus, öffnete die Seitentür, beugte sich hinüber und drückte die Kleine. Dann lief sie um den Wagen herum zur Fahrerseite. Ich ließ das Fenster herunter.
    »Richte Huguette einen lieben Gruß von mir aus.«
    »Wenn es einer versteht, dann meine Karrieremama«, brummte ich. Mehr zu mir selbst. Mila sollte es gar nicht hören.
    »Fang nicht schon wieder an!«, zischte sie und ging los. Ohne zurückzuschauen, marschierte sie durch die Drehtür des Bürohauses.
    Einen Moment überlegte ich, ihr zu folgen. Doch dann legte ich den Gang ein und fuhr los.
    All dies ging mir durch den Kopf, während ich mit hundertsechzig über die Autobahn raste und auf die Straße starrte, als könnte ich dort die Lösung für Milas und meine Probleme finden.
    »Papa, du hörst mir überhaupt nicht zu!«
    »Entschuldige, Liebes. Was ist denn?«
    »Kannst du endlich die blöde Musik ausmachen?«
    Eine Stunde später passierten wir das Ortsschild. Ich wollte gerade das Radio ausstellen, das ich für Maja eingeschaltet hatte, da kam sie, diese Melodie. »Lauter, das ist ein tolles Lied«, quietschte Maja und klatschte in die Hände.
    Ja, der Song hatte was, die Melodie rührte an und ging unter die Haut. Das Stück stammte aus einer dieser Wir-suchen-den-Pop-Superstar-Shows. Merkwürdig, ich hörte das Lied erst zum dritten oder vierten Mal. Aber ich hatte das Gefühl, die Melodie schon länger zu kennen.
    Woher nur? Es wollte mir partout nicht einfallen.
    Ich lenkte den Wagen in die Gymnasialstraße, vorbei an meiner alten Schule. Ich bog links ab und hielt, warum auch immer, mitten auf der Fahrbahn an.
    Keine Fußgänger, kein weiteres Auto. Keine Straßenbeleuchtung. Ich beugte mich über das Lenkrad und schaute hinaus in die Nacht. Dann erkannte ich die Treppe wieder, davor das kleine Stück Rasen und den Parkplatz.
    Im Haus auf der gegenüberliegenden Seite war einst das Hot Rats untergebracht, der Szeneladen, der abgefahrenste Freakschuppen in der ganzen Gegend. Hier traf sich die Korona, das Rats war unser Wohnzimmer.
    Plötzlich tauchten längst vergessen geglaubte Bilder aus den Tiefen der Erinnerung vor meinem inneren Auge auf.
    Manchmal waren es bis zu zwanzig Freaks, die auf der Treppe saßen, jemand packte eine Gitarre aus, Mark holte seine Bongos hervor, und dann wurde gejammt. Ein Joint ging herum, und Kief, der Besitzer des Rats, erschien am Eingang. Im Sommer klemmte er immer den Keil in die Tür. Von drinnen dröhnte »Ruckzuck« von Kraftwerk hinaus auf die Straße.
    Doch da, wo einmal das Rats residierte, gab es nur noch Fenster mit herabgelassenen Rollläden, stinknormale Wohnungen.
    Ich fuhr an. In diesem Moment überquerte eine Gestalt die Straße.
    Ich erkannte schemenhaft den hochgezogenen Kragen einer Regenjacke und trat voll auf die Bremse. Es war ein Mann, da war ich mir sicher, trotz der langen Haare, die patschnass an seinem Kopf klebten. Ohne Eile schlurfte das Wesen, das aus
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