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Treffpunkt Scheuermühle

Treffpunkt Scheuermühle

Titel: Treffpunkt Scheuermühle
Autoren: Thomas Brezina
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hinter das Gebüsch. Zum Glück war sie so sehr mit sich beschäftigt, daß sie die vier zusammengekauerten Gestalten nicht bemerkte.
    „Unsinn! Alles Unsinn! Mumpitz und Humbug! Ich lasse mich von so einem Unsinn nicht einlullen“, schimpfte die Frau vor sich hin. Sie warf einen ängstlichen Blick zu den anderen Kapuzenträgern und verschwand dann mit großen Schritten im Wald. Dabei lief sie so knapp an Axel vorbei, daß dieser sie ohne weiteres ins Bein hätte zwicken können.
    Der Zug der grauen Kapuzen war nun vor der Mühle angelangt und machte mit den Armen beschwörende Bewegungen.
    Lilo kroch hinter einem dicken Baumstamm hervor, um besser sehen zu können.
    „Ich... ich pack es nicht“, stieß sie hervor.
    „Was ist?“ wollte Axel wissen, als er neben ihr auftauchte.
    „Das Mühlrad... das Mühlrad. Schau nur, es klappt zur Seite“, zischte das Mädchen. Doch nicht nur das: Gleich darauf schob sich auch ein schmaler Holzsteg aus dem Inneren der Mühle über den Bach. Im Zeitlupentempo betrat nun ein Kapuzenmensch nach dem anderen die Brücke.
    „Kannst du erkennen, was in der Mühle ist?“ wisperte Axel. Lieselotte schüttelte den Kopf. „Aber ich werde es bald wissen“, sagte sie leise und hastete geduckt zur Seite. Dort lagen die grauen Klamotten, die die Frau weggeworfen hatte. Lilo zog sie schnell über, und ehe ihre Freunde noch etwas sagen konnten, lief sie schon mit großen Schritten in Richtung Schauermühle.
    „Lilo, bist du wahnsinnig?“ stöhnte Poppi. „Das ist viel zu gefährlich!“
    Doch das Mädchen hörte sie nicht mehr. Zaghaft näherte sie sich nun dem gespenstischen Zug und stellte sich ganz hinten an. Keiner der Kapuzenleute schien vom Verschwinden und Wiederauftauchen des dreizehnten Mitglieds etwas bemerkt zu haben. Sie waren viel zu sehr in ihren Singsang vertieft.
    Poppi ballte die Hände vor Aufregung zu Fäusten und preßte sich die Nägel in die Haut. Sie zitterte am ganzen Körper, als sie sah, wie ihre Freundin als letzte über den Steg marschierte. Um nicht aufzufallen, wippte sie wie die anderen auf und nieder und schien auch mitzusingen.
    Kaum war sie in der Dunkelheit des geheimen Einganges verschwunden, setzte sich das Mühlrad wieder in Bewegung. Wie eine Riesentresortür schwenkte es zu und schnappte hörbar ein.
    „Sie spinnt hochgradig“, stöhnte Axel. „Hoffentlich... hoffentlich geschieht ihr nichts!“
     
    Ein enger, niedriger Gang, der mit schwarzem Samt ausgeschlagen war, erstreckte sich hinter dem Mühlrad.
    Lieselotte hatte in ihrem Kopf eine Art Notizblatt aufgeschlagen. Sie stellte sich genau vor, wie sie darauf alle ihre Beobachtungen niederschrieb. Diesen Detektivtrick hatte sie aus einem Kriminalroman, und angeblich war es so einfacher, sich viel zu merken.
    „Die meisten Leute unter den Kapuzen scheinen Frauen zu sein!“ lautete Lilos erste Eintragung. Dieser Verdacht war ihr auf Grund der Stimmen gekommen, die das Klagelied gesungen hatten.
    Beim Betreten der Mühle war dann eine Gestalt nach der anderen verstummt. Schweigend und fast völlig lautlos schritt der Zug nun in das Innere des Hauses.
    Lieselotte versuchte sich umzusehen und dabei trotzdem nicht den Kopf zu bewegen. Niemand sollte auf die Idee kommen, daß sie mit den anderen Kapuzenleuten nichts zu tun hatte. Diese gingen nämlich so stocksteif, als hätten sie Besen samt Putzfrauen geschluckt.
    Der Samt an den Wänden und der Decke des Raumes erzeugte eine bedrohende, dumpfe Atmosphäre.
    „Wie in einem Riesensarg“, dachte Lilo für einen Moment. Doch sie versuchte diesen Einfall möglichst schnell wegzuschieben, denn er jagte ihr große Angst ein.
    Mittlerweile hatte sie einen mittelgroßen, runden Raum mit einer hohen Kuppel betreten, der von geisterhaftem blauen Licht erfüllt war.
    „Die muß mindestens bis in den zweiten Stock reichen“, notierte Lilo auf ihrem Gedankennotizblatt. Auch diese kleine Halle war schwarz ausgeschlagen und besaß außer dem Eingang keine weiteren Türen oder Fenster.
    Die Kapuzenleute hatten an der Wand Aufstellung genommen und so einen großen Kreis gebildet.
    „Willkommen!“ hauchte eine tiefe Frauenstimme über ihren Köpfen. Lilo wollte hinaufblicken, doch die anderen senkten die Köpfe. Deshalb tat sie das gleiche.
    „Willkommen zu unserer Versammlung!“ verkündete die Stimme, die fern und verhallt klang. Irgendwie löste sie in Lilo das Gefühl von Kälte, Feuchtigkeit und Furcht aus. Also schluckte sie kräftig und
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