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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht
Autoren: Faber Dietrich
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Bereitschaftshandy. Es meldet sich mein Kollege und Stellvertreter Markus Meirich. Er teilt mir mit, dass ich zu einer Leiche kommen müsse. Ein Toter sei in der Nähe des Niddaer Faschingsumzuges aufgefunden worden, hinter dem Feuerwehrgerätehaus. Nun starre auch ich. Nicht so was bitte jetzt auch noch.
    Franziska fragt: «Was ist?»
    «Äh, ich muss los», stammele ich. «Da liegt ein Toter …»
    «Wo?»
    «Da, hier, also …»
    «Hier?»
    «Ja, hier bei uns in Nidda. Auf dem Faschingsumzug. Ich muss da jetzt hin. Können wir später nicht nochmal reden?»
    Meine Knie beginnen zu zittern.
    «Ich muss jetzt weg», sagt Franziska mit fester Stimme. «Laurin bleibt bis morgen bei Wolle und Molli –»
    «Hmm …»
    «– morgen und Faschingsdienstag ist kein Kindergarten. Du kriegst das hin.»
    «Franziska, ich …»
    «Du kannst das. Ich übernachte heute bei Petra. Und dann gebe ich dir Bescheid, wohin ich gehe. Ich kann wirklich nicht anders, glaub mir.»
    «Warte doch noch bis morgen», flehe ich.
    «Nein. Ich will nicht mehr warten. Ich kann nicht mehr warten.»
    «Wann kommst du wieder?»
    «Weiß nicht, ich weiß gar nichts mehr.»
    Auch ich weiß nun gar nichts mehr. Weder, wie es weitergeht, noch, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Habe ich das wirklich gerade selbst erlebt? Hat Franziska mich nun tatsächlich verlassen? Mich? Uns? Die Kinder? Oder nimmt sie nur, wie man so schön sagt, eine Auszeit? Werde ich nun zu einem alleinerziehenden Vater? Und wie soll ich das den Kindern beibringen, wenn ich es mir selbst nicht einmal erklären kann? Ich dachte immer, ich kenne meine Frau. Scheiße!
     
    Franziska und ich kennen uns, seit wir vierzehn sind. Eigentlich war ich von dem Tag an, als wir in eine Klasse kamen, in sie verliebt. Doch natürlich waren für sie die Burschen, die schon Moped fuhren, deutlich interessanter. In der elften Klasse dann aber, als andere Auswahlkriterien die Oberhand übernahmen, wurden wir auf einer Klassenfahrt ein Paar. Ihre Freundin Gabi petzte mir, dass Franziska mich «süß» fände. Ich konnte dies nur schwer glauben, da ich von mir eine andere Selbstwahrnehmung hatte. Franziska, dachte ich, die spielt in einer anderen Liga. Da ich alles andere als ein fescher Aufreißertyp war, versuchte ich zaghaft und unbeholfen diese Süß-Botschaft auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen. Zunächst wusste ich nicht, ob ich tatsächlich in dieses Mädchen verliebt war oder nur in den Stolz, dass dieses Mädchen anscheinend ein Auge auf mich geworfen hatte. Doch dann warf ich mein Auge zurück.
    So saßen wir schließlich auf einer Klassenfahrt irgendwo im Schwarzwald ganz plötzlich ganz alleine am Lagerfeuer. Ich spielte Westernhagen auf der Westerngitarre, und irgendwann, nachdem auch die dritte Saite riss, rückten wir näher zusammen, alberten noch ein wenig verlegen herum, ehe wir uns zum ersten Mal küssten. Ich war sechzehn und sie nicht 31, sondern auch sechzehn. Es war der bis dato beeindruckendste Moment in meinem Leben, denn von Liebe wusste ich nicht viel. Wir blieben zwei Jahre zusammen, ehe wir uns trennten, um zu überprüfen, ob es da draußen nicht doch etwas Besseres für uns beide gäbe. Nachdem wir unabhängig voneinander festgestellt hatten, dass dies für uns wohl nicht der Fall sei, kamen wir wieder zusammen, zogen in eine gemeinsame Wohnung, heirateten, bekamen zwei Kinder, einen Hund und eine Doppelhaushälfte, um am Ende vor dem Scherbenhaufen des heutigen Tages zu stehen.
     
    Franziska also packt still weinend ihre Tasche. Ich stehe blöd noch ein paar Sekunden im Weg herum und mache mich dann ohne Abschied konsterniert auf den Weg zu meiner Arbeit, zu einem Toten.
    Ich bin seit sechs Jahren Kriminalhauptkommissar bei der Kripo in Alsfeld. Zum Glück wurde meine Stelle aufgeteilt. Ich bin nur zuständig für die ziemlich kleinen Kleinstädte Nidda, Schotten, Lauterbach mit all ihren angrenzenden Dörfern, die Namen wie Busenborn oder Eichelsachsen tragen. In diesem Vogelsberger Bereich wird vielleicht einmal eine Ehefrau verprügelt oder zu laut Party gefeiert, doch Mordopfer gibt es in der Regel nicht. Dafür sind andere Städte zuständig. In den letzten sechs Jahren gab es gerade einmal drei Todesfälle aufzuklären. Der Täter des ersten Mordes hat sich gestellt, der zweite Mörder läuft noch frei herum, und beim dritten Fall war es dann wohl doch Selbstmord. Und jetzt liegt diese Karnevalsleiche also nicht nur in meinem
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