Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond
Autoren: Sven Koch
Vom Netzwerk:
Mietwohnung.« Hilde an Huef nannte Schneider die Adresse und fügte hinzu: »Wir wollten eigentlich gemeinsam über Weihnachten zu ihrer Schwester nach Hamburg fahren.«
    »Mhm.« Schneider nickte und spielte verlegen an seinen Fingern.
    Alex deutete auf die Bilder in den Silberrahmen, die auf einem exklusiven Sekretär aufgereiht waren. »Sind das alles Familienbilder?«, fragte sie sanft.
    »Ja.«
    »Darf ich?«
    Hilde an Huef nickte stumm. Alex stand auf, ging über den tiefen Flor des hellen Teppichs und betrachtete die Aufnahmen. Dann erhob sich auch die Frau, deren Familie diese Galerie gewidmet war, stellte sich neben Alex und strich mit dem Finger über den Silberrahmen, in dem sich ein Foto befand, das drei Mädchen in verschiedenen Altersstufen zeigte. Ein Sommerbild. Die Kinder trugen Bikinis, hatten Zöpfe und spritzten mit einem Schlauch im Garten herum. »Die Größere ist Gritta, sie lebt jetzt mit ihrer Familie in Hamburg und hat zwei Kinder. Daneben steht Ronja. Sie wohnt in Wiesbaden und hat gerade ihr erstes Kind bekommen. Und die Kleine hier ist meine Antje – sie war damals etwa sieben Jahre alt.«
    Ein Lächeln umspielte Alex’ Lippen. Solche Bilder gab es auch von Jule, ihrer Schwester, und ihr selbst. Alex blickte zu Schneider, der stumm aus dem Fenster starrte. Dann bemerkte sie, dass Hilde an Huef auf ein weiteres Bild zeigte. Ihre Finger verharrten auf dem Rahmen, in dem sich das Foto einer jungen Frau befand. Sie strahlte eine natürliche Herzlichkeit aus. Ihr braunes Haar war halblang geschnitten, die grünen Augen blitzten freundlich. Eine moderne Frau Anfang zwanzig, schick gekleidet und hübsch – niemand, der nicht sofort Anschluss finden würde.
    »Antje«, sagte Hilde an Huef mit erstickter Stimme und wischte sich mit dem Handballen eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann hielt sie einen Moment inne und fasste nach Alex’ Hand, die sie sofort ergriff und fest und beschützend in die ihre nahm. Alex schluckte und sah der älteren Dame tief in die rotgeränderten Augen.
    »Sagen Sie mir, wie ist sie ums Leben gekommen?«
    Wieder blitzen die Bilder vom Tatort durch Alex’ Kopf. Details. Großaufnahmen. »Wir wissen sicher, dass sie ermordet worden ist und dass die Leiche heute an den Schliemannschen Möbelwerken entdeckt wurde. Aber alles Weitere können wir erst nach der rechtsmedizinischen Untersuchung sagen.« Die sicher nicht vor morgen geschah, überlegte Alex, weil der zerfetzte Körper aufgetaut werden musste.
    »Sie wollen sie aufschneiden?«
    Alex dachte, dass das schon jemand anders getan hatte, und zögerte einen Moment. Dann antwortete sie: »Das müssen wir bei einem Gewaltverbrechen.«
    Hilde an Huef sah Alex durchdringend an – ein Blick, der verriet: Die Frau ahnte, dass Alex ihr nicht die ganze Wahrheit sagte. »Wer«, fragte Hilde an Huef leise, »hat ihr das angetan?«
    »Wir finden es heraus«, sagte Alex. »Wir finden es heraus.«

11.
    D ie Lemfelder Polizeibehörde war in einem früheren Kasernengebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert untergebracht. Die Decken waren hoch, manche mit Stuck verziert, auch die in Alex’ Büro. Schneeflocken tanzten vor dem Fenster, während Schneider zwei Kaffeebecher auf den penibel aufgeräumten Schreibtisch von Alex abstellte. Es gab darin jeweils unterschiedliche Fächer für bronzene Büroklammern und silberne, für Scheren, Tesafilm und Kugelschreiber.
    Schneider ließ eine Aktenkladde mit der Aufschrift »Nele Bender« folgen. Dann setzte er sich ächzend in einen Ledersessel, nahm seinen Laptop zur Hand und schaltete ihn ein.
    Alex schlug die Mappe auf, öffnete einen Hefter mit Ausdrucken und zog Fotos hervor. Bilder, dachte sie, die auch aus der alten Fabrik stammen konnten. Fotos, die einen zerstörten Körper zeigten, dazu die Zeichen an der Wand – die Botschaft des Mörders.
    »Mein Gott«, murmelte Alex und blätterte in den Papieren.
    »Das war vor deiner Zeit. Etwa ein Jahr bevor du zu uns gekommen bist.«
    Schneider zog ein Tempo hervor und putzte sich die Nase, während das Betriebssystem sich mit einem Gong zum Bereitschaftsdienst meldete.
    »Darf ich die Akte mit nach Hause nehmen?«
    Schneider nickte und schob eine DVD in seinen Computer.
    »Was machst du da?«
    »Ich brenne dir eine DVD fürs Nachtprogramm mit den Spherocam-Dateien vom Tatort an den Schliemannschen Werken.«
    Alex faltete die Hände über der Akte zusammen. »Wie kommst du auf die Idee, dass ich heute Nacht noch …«
    »Weil du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher