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Totenfluss: Thriller (German Edition)

Totenfluss: Thriller (German Edition)

Titel: Totenfluss: Thriller (German Edition)
Autoren: Chelsea Cain
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noch nie auf einem Boot gewesen war.
    Seine Stiefel quietschten auf dem Teppich.
    »Da draußen wird es jetzt richtig übel«, sagte er und wischte sich den Regen aus dem geröteten Gesicht. »Keine Lieferungen mehr.«
    »Ihr Laden ist auf der andern Straßenseite«, sagte Susan.
    Er gab ihr den nassen Strauß. Als er die ersten Male gekommen war, war es noch feierlicher zugegangen.
    Susan betrachtete den Strauß. Er war hübsch arrangiert, purpurne Callas und rote Beeren, die ein paar faustgroße Blattknäuel umgaben. »Ist das Wirsing?«, fragte sie.
    »Winterzierkohl«, sagte er und seufzte.
    »Oh.«
    »Im Ernst«, fuhr er fort. »Sagen Sie Ihrem Bewunderer, er soll eine Pause einlegen, bis der Regen aufhört. Der Gouverneur hat den Notstand ausgerufen.« Er sah sich in dem öden, leeren Büro um. »Schauen Sie nicht fern?«
    »Ich lese den Herald «, sagte Susan pointiert. Irgendwer musste es ja tun.
    Er schüttelte den Kopf und ging schweren Schritts in Richtung Aufzug. Ein nasser Fleck blieb auf dem Teppich zurück, wo er gestanden hatte.
    Derek rollte seinen Schreibtischsessel neben Susans. Das Moschusaroma seines Aftershaves war überwältigend. Stetson. Susan kannte keinen Mann in den Zwanzigern außer ihm, der überhaupt Aftershave benutzte. »Leo Reynolds bringt nur Unglück«, sagte er und stieß den Zeigefinger wiederholt in Richtung Blumen.
    Stimmt , dachte sie. Aber ich wette, er benutzt kein Stetson.
    Leo Reynolds schickte Susan seit einem halben Jahr jede Woche einen Blumenstrauß in die Arbeit. Auf der Karte stand immer das Gleiche: Für Susan von Leo. Ein echter Formalist. Der Typ vom Blumenladen sagte, Leo erteile die Aufträge telefonisch. Wahrscheinlich hatte er in jedem Blumenladen der Stadt ein fixes Konto. Leos Familie hatte ihr Geld mit der Einfuhr gewaltiger Mengen von Drogen an die Westküste gemacht, aber Susan musste zugeben, dass ihr die Aufmerksamkeit gefiel.
    »Du schickst mir nie Blumen«, sagte sie zu Derek.
    »Er ist reich«, erwiderte Derek. Er senkte die Stimme und sah zu den rund zwanzig Leuten, die noch im Büro waren, und die alle Telefonkopfhörer trugen und ausdruckslos in ihre Monitore starrten. »Ich verdiene zweiunddreißigtausend Dollar im Jahr«, sagte er.
    »Oh«, erwiderte Susan.
    »Oh?«
    »Einfach nur ›oh‹.«
    Derek sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Wie viel verdienst du?«
    Susan verdiente zweiundvierzigtausend. Und der Vorschuss für ihr demnächst erscheinendes Buch über verrückte Todesarten betrug hunderttausend. Sie zuckte mit den Achseln. Was hatte sie davon, wenn er sich schlecht fühlte? »Etwa das Gleiche«, sagte sie.
    »Was macht das Gretchen-Lowell-Buch?«, fragte er. Susan stellte es die Haare auf. Er wusste, dass sie das Projekt aufgegeben hatte. Er wollte nur fies sein.
    »Ich trage mich mit einer neuen Idee.«
    »Worum geht es?«
    »Verbrechensbekämpfung in Portland, Oregon.«
    »Wahre Verbrechen, also?«
    Susan fühlte einen Anflug von Verlegenheit. »Mehr wie eine Detektivgeschichte.«
    Er blinzelte sie an. Er hatte Football gespielt im College. All diese Erschütterungen summierten sich.
    »Also Belletristik?«
    »Kreative Sachliteratur.«
    Er sah sie aus schmalen Augen an. »Wer sind die Hauptfiguren?«
    Susan lächelte. »Eine beherzte junge Journalistin mit einem Minderwertigkeitskomplex und ein genesender tablettensüchtiger Cop mit einem dunklen Geheimnis, die zusammen Verbrechen aufklären.«
    »Du schreibst ein Buch über dich und Archie Sheridan?«
    »Mein Agent sagt, das lässt sich sehr gut vermarkten.«
    Derek legte die Hand vor den Mund und lachte, bis ihm die Tränen kamen. »Was bist du dann?« Er kicherte noch ein wenig, in Vorfreude auf das, was er gleich sagen wollte. »Dr. Watson?«
    Susan sah ihn böse an.
    Er ließ die Hand sinken und räusperte sich. »Im Ernst. Was, wenn nichts Aufregendes passiert?«
    Susan griff sich an die erbsengroße Narbe auf ihrer Wange, wo sie ein verrückter, maskierter Mörder mit einer Piercing-Nadel gestochen hatte. Wenn sie kein Make-up auflegte, sah es aus wie ein riesiger Pickel.
    »Irgendetwas Aufregendes passiert immer.«
    Und als hätte sie es willentlich herbeigeführt, läutete in diesem Moment ihr Telefon.

5
    Stephanie Towner war ermordet worden. Das war die einzige Tatsache, die Archie aus Lorenzo Robbins’ Anruf heraushören konnte. Es war nicht einmal eine Tatsache, sondern eine Mutmaßung. Aber Robbins liebte es dramatisch. Einmal hatte er verkündet, ein
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