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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Autoren: Anna K.
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ignorierte, indem ich irgendetwas in den Computer tippte, bis er aufhörte zu starren.
    Er war schon um die Ecke gebogen, und ich atmete auf, als er noch einmal zurückkam und sich vorsichtig, fast wie auf Zehenspitzen, dem Tresen näherte und mich mit halb geschlossenen Augen fixierte. Er schien nach
den passenden Worten zu suchen, und ich dachte schon »Himmel, der fragt bestimmt gleich nach den Nutten!«, weil es wirklich vorkam, dass jemand nach einer ganz besonderen Abendunterhaltung fragte. Man empfahl dann das Artemis oder ein anderes Etablissement, als würde man es kennen oder als handle es sich dabei um eine ganz besonders sehenswerte Kunstausstellung. Es war mir unbegreiflich, wie man so etwas eine Frau fragen konnte, aber hinter dem Tresen schienen wir uns in Auskunftsautomaten zu verwandeln, die einfach für alles eine Antwort haben mussten. Vielleicht machte es auch mehr Spaß, so eine Frage einer Frau zu stellen. Wer weiß, was manchen so im Kopf herumgeht.
    Der Schmächtige fragte schließlich nach den Frühstückszeiten. Ich gab ihm Antwort und beschäftigte mich wieder mit dem Computer, während er sich daranmachte, die Flyer der Restaurants und Museen, die in einem Plastikständer ausgestellt waren, so intensiv zu studieren, als wolle er sie auswendig lernen. Es schien mir, als hoffe oder warte er darauf, dass ich ihn noch einmal ansprechen würde, was ich aber nicht im Entferntesten im Sinn hatte. Es wunderte mich, dass er überhaupt darauf zu warten schien. Manche hatten wirklich eine lange Leitung. Dass hier keine weitere Unterhaltung gewünscht war, hatte ich ihm doch hoffentlich klargemacht. Hatte ich ihm durch irgendein Signal zu verstehen gegeben, dass ich mit ihm flirten wollte? Glaubte er wirklich, ich wollte mit einem Typen flirten, der Prospekte studiert, als sähe er zum ersten Mal in seinem Leben Prospekte? Hoffentlich verzieht der sich bald, dachte ich.
    Er entschied sich nach mehrminütigem Flyer-Studium, doch keinen mit aufs Zimmer zu nehmen, sagte kaum hörbar »Tschüss« in meine Richtung und trottete in Richtung Aufzug.
    Oben im Zimmer musste er seinen Mut gesammelt haben, denn nach weniger als zehn Minuten rief er an, um mir mitzuteilen, dass sein Fernseher nicht funktioniere. Na wunderbar. Auf diese Art Beschwerde reagierte ich wie immer und stellte die üblichen Fragen:
    »Ist der Stecker in der Steckdose?«
    »Haben Sie den Einschaltknopf richtig gedrückt?«
    »Halten Sie die Fernbedienung auch in die richtige Richtung?«
    »Drücken Sie auch wirklich fest auf die Tasten?«
    Ich kannte das Fernsehproblem. Viele Gäste haben es. Sie kommen im Hotelzimmer an und statt sich dort zu entspannen oder den Koffer auszupacken, probieren sie zwanghaft alle Geräte aus, den Fernseher, den Safe, die Klimaanlage oder die Heizung, immer auf der Suche nach einem Fehler, um sich umgehend beschweren zu können. Offenbar verfällt der Gast, sobald er im Hotel angekommen ist, in eine Art Mini-Depression, eine Ankunfts-Depression: Den ganzen Tag über war er damit beschäftigt, alle Termine einzuhalten, um rechtzeitig im Hotel anzukommen, und jetzt, da er das geschafft hat, fällt er in ein tiefes Loch und fragt sich: Was mache ich hier eigentlich in der großen, fremden Stadt? Also sucht er nach einem Fehler und schon geht es ihm wieder besser, weil er dadurch wieder eine Aufgabe hat.
    Ich war mir sicher, der Schmächtige war auch so einer,
und nachdem er darauf bestanden hatte, dass da wirklich etwas mit dem Fernseher nicht stimmte, machte ich mich missmutig auf den Weg und ließ die Rezeption alleine – es würde ja nicht lange dauern. Denn natürlich funktionierte der Fernseher. Er funktionierte immer.
    Bevor man das Zimmer eines Gastes betritt, muss man klopfen, erst vorsichtig, und wenn keine Antwort kommt, etwas lauter. Kommt noch immer keine Antwort, darf man hineingehen, aber nicht zu forsch, und ruft dabei »Zimmerservice« oder nur »Service«. Ich wurde beim zweiten Klopfen mit einem »Ja« hereingebeten.
    Ich ging also hinein und kaum war ich eingetreten, bereute ich es bitter: Der Schmächtige stand splitterfasernackt vor mir.
    Ich dachte zuerst: Scheiße. Und jetzt war ich wirklich genervt. Was wollte der? Ich wollte ihn so nicht sehen. Niemand will gegen seinen Willen einem nackten Mann gegenüberstehen. Weil ich gleichzeitig nicht wusste, wie ich mit so einem Gast umzugehen hatte, tat ich erst einmal gar nichts. Ich blieb stehen und sah nach dem Fernseher, obwohl ich längst
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