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Tolstoi, A. K.

Tolstoi, A. K.

Titel: Tolstoi, A. K.
Autoren: Die Familie des Wurdalak
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schlafen bereits, nur die Grillen im Gras und die Maikäfer in der Luft können hören, was ich Euch sagen werde!“
    „Oh mein Freund, flieht, flieht! Wenn mein Bruder uns überrascht, bin ich verloren!“

    „Sdenka, ich werde nicht gehen, bevor Ihr mir versprecht, dass Ihr mich immer lieben werdet, wie die Schöne es in der Ballade dem König versprochen hat. Ich werde bald abreisen, Sdenka, wer weiß, wann wir uns wiedersehen werden? Sdenka, ich liebe Euch mehr als meine Seele, mehr als mein Heil … mein Leben und mein Blut gehören Euch … wollt Ihr mir nicht im Gegenzug eine Stunde gewähren?“
    „Viele Sachen können sich in einer Stunde zutragen“, sagte Sdenka nachdenklich, aber sie ließ ihre Hand in der meinen. „Ihr kennt meinen Bruder nicht“, fuhr sie zitternd fort, „ich habe eine Vorahnung, dass er kommen wird.“
    „Beruhigt Euch, Sdenka“, antwortete ich ihr. „Euer Bruder ist vom Wachehalten müde, der Wind, der in den Bäumen weht, hat ihn in den Schlaf gewiegt; sein Schlaf ist tief, die Nacht ist lang, und ich habe nur eine Stunde von Euch verlangt! Also gut, lebt wohl … vielleicht für immer!“
    „Oh, nein, nein, nicht für immer!“, sagte Sdenka rasch und wich zurück, als wäre sie ob ihrer eigenen Stimme erschrocken.
    „Oh, Sdenka“, rief ich, „ich sehe nur Sie, ich höre nur Sie, ich bin meiner nicht mehr Herr, ich gehorche einer höheren Macht, verzeiht mir Sdenka!“, und drückte sie wie ein Verrückter gegen mein Herz.
    „Oh, Ihr seid nicht mein Freund“, sagte sie, während sie sich aus meiner Umarmung befreite und sich in die hinterste Ecke ihres Zimmers zurückzog. Ich weiß nicht mehr, was ich ihr antwortete, denn ich war über meine Unverfrorenheit bestürzt, nicht weil sie mir in gleichen Situationen auch schon geholfen hatte, sondern weil ich, trotz meiner Leidenschaft, Sdenkas Unschuld in Ehren hielt.

    Zu Anfang bediente ich mich gewisser bekannter amouröser Worte, die den Frauen unserer Zeit nicht missfielen, schon bald fühlte ich mich aber beschämt und gab es auf, verstehend, dass die Einfachheit des jungen Mädchens sie daran hinderte, das zu verstehen, was Sie, meine Damen, ich sehe es an Ihrem Lächeln, schon im Vorhinein verstanden haben.

    Da war ich also, vor ihr, nicht wissend, was ich ihr sagen sollte, als sie plötzlich zusammenzuckte und das Fenster mit einem Ausdruck des Schreckens fixierte. Ich verfolgte ihren Blick und sah ganz klar das unbewegliche Gesicht von Gorcha, der uns von außen her beobachtete.
    Im selben Augenblick fühlte ich eine schwere Hand auf meiner Schulter. Ich drehte mich um. Es war Georges.
    „Was macht Ihr hier?“, fragte er mich.
    Durch diese barsche Anrede aus dem Konzept gebracht, zeigte ich ihm seinen Vater, der uns durch das Fenster ansah und wieder verschwand, als Georges ihn erblickte.
    „Ich hatte den Alten gehört und kam, um Ihre Schwester zu warnen“, sagte ich ihm.
    Georges starrte mich an, als ob er versuchte meine Gedanken zu lesen. Dann packte er meinen Arm und führte mich in mein Zimmer zurück, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
    Am nächsten Morgen war die Familie vor der Haustür um einen Tisch versammelt, auf dem sich Milchprodukte befanden.
    „Wo ist das Kind?“, fragte Georges.
    „Es ist im Hof“, antwortete seine Mutter, „es spielt ganz allein sein Lieblingsspiel und stellt sich vor, dass es gegen die Türken kämpft.“
    Kaum hatte sie diese Worte gesagt, sahen wir – zu unserer großen Überraschung – die Silhouette von Gorcha, der sich vom Wald her langsam auf uns zubewegte und sich, wie am Tag meiner Ankunft, an den Tisch setzte.
    „Mein Vater, seid willkommen“, murmelte seine Schwiegertochter kaum hörbar.
    „Mein Vater“, sagte Georges bestimmt, aber sein Gesicht wechselte die Farbe, „wir warteten auf Euch, dass Ihr das Gebet sprecht!“
    Der Alte wendete sich ab und runzelte die Stirn.
    „Das Gebet, jetzt!“, wiederholte Georges. „Und bekreuzigt Euch oder beim Heiligen Georg …“
    Sdenka und die Schwägerin bückten sich zum Alten und flehten ihn an, das Gebet zu sprechen.
    „Nein, nein, nein“, sagte der Greis, „er hat kein Recht, mir zu befehlen, und wenn er weiterhin darauf besteht, werde ich ihn verfluchen!“
    Georges stand auf und rannte ins Haus. Schon bald kam er zurück, seine Augen brannten vor Wut.
    „Wo ist der Pfahl?“, schrie er. „Habt ihr den Pfahl versteckt?“
    Sdenkas und Pierres Blicke trafen sich.
    „Leiche!“, sprach Georges den
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