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Todesschrei

Todesschrei

Titel: Todesschrei
Autoren: Karen Rose
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so viel zu tun. Alles, was er nie getan hatte, alles, was er nie gesagt hatte, kam ihm in den Sinn. Und in ihm stieg plötzlich eine ungeahnte Kraft auf. Er hob das Kinn. »Meine Freunde werden mich vermissen. Und meine Verlobte weiß, dass ich bei Ihnen bin.« Munch, der mit den Kameras fertig war, drehte sich um. In seinen Augen stand reine Verachtung. »Nein, weiß sie nicht. Du hast deiner Verlobten gesagt, du wärst bei einem Freund, dem du bei der Vorbereitung zu einem Vorsprechen helfen wolltest. Das hast du mir selbst heute Nachmittag erzählt. Mit dem Geld von den Aufnahmen wolltest du ihr ein Geburtstagsgeschenk kaufen. Du wolltest, dass es ein Geheimnis bleibt. Und aus diesem Grund - und wegen der Tätowierung - habe ich dich ausgewählt.« Er hob die Schultern. »Außerdem passt du ins Kostüm. Nicht jeder kann ein Kettenhemd richtig tragen. Also - niemand wird dich suchen. Und selbst wenn, wird dich niemand finden. Sieh es ein - du gehörst mir.« Alles in Warren erstarrte. Es war die Wahrheit. Er hatte Munch erzählt, dass er Sherry zum Geburtstag überraschen wollte. Niemand wusste, wo er war. Niemand würde ihn retten. Er dachte an Sherry, an seine Eltern, an jeden, den er liebte. Sie würden sich Sorgen machen. Ein Schluchzen stieg in seiner Kehle auf. »Du Mistkerl«, flüsterte er. »Ich hasse dich.«
    Münchs Lippen zuckten, aber seine Augen leuchteten belustigt auf, und das war erschreckender als alles, was er zuvor gesagt hatte. »Das haben die anderen auch gesagt.« Er presste Warren erneut die Wasserflasche an die Lippen und kniff ihm die Nase zu, bis Warren nach Luft schnappte. Warren kämpfte, wehrte sich, aber Munch zwang ihn zu trinken.
    »Und nun, Mr. Keyes, fangen wir an. Und vergessen Sie ja nicht zu schreien.«
     

1. Kapitel
    Philadelphia, Sonntag, 14. Januar, 10.25 Uhr
    Detective Vito Ciccotelli stieg, gründlich durchgeschüttelt, aus seinem Truck. Die alte, ungeteerte Straße, die zum Tatort führte, hatte seine ohnehin schon aufgewühlten Eingeweide in noch schlimmeren Aufruhr versetzt. Er holte Atem und bereute es augenblicklich. Nach vierzehn Jahren bei der Polizei war der Tod für ihn noch immer eine widerwärtige Überraschung.
    »Das zieht einem ja die Schuhe aus.« Nick Lawrence verzog das Gesicht und warf die Tür seines Sedans zu. »Krass.« Sein breiter Carolina-Akzent dehnte das Wort auf vier Silben aus.
    Zwei Uniformierte standen auf dem verschneiten Feld und starrten in ein Loch. Sie hielten sich Taschentücher vor die unteren Gesichtshälften. Eine Frau, deren Kopf gerade noch über dem Rand sichtbar war, hockte in der Grube. »Wie mir scheint, hat die Spurensicherung die Leiche schon ausgegraben«, bemerkte Vito trocken. »Ach was.« Nick bückte sich und stopfte die Hosenbeine in seine Cowboystiefel, die auf Hochglanz poliert waren. »Okay, Chick, dann wollen wir mal loslegen.« »Moment noch.« Vito griff hinter den Autositz, um seine Schneestiefel hervorzuholen, und zuckte zusammen, als ihn einer der Dornen in den Daumen stach. »Mist, verdammter.« Er saugte an der kleinen Wunde, bevor er die Rosen behutsam beiseite legte und nach seinen Stiefeln griff.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie sein Partner ernst wurde, aber er sagte nichts.
    »Es ist jetzt zwei Jahre her. Genau heute«, sagte Vito verbittert. »Wie die Zeit vergeht.«
    Nicks Stimme war sanft. »Die Zeit soll auch alle Wunden heilen.«
    Nick hatte recht. Die zwei Jahre hatten Vitos Kummer abgeschwächt. Aber das Schuldgefühl ... nun, das war eine ganz andere Geschichte. »Ich gehe nachher noch zum Friedhof.«
    »Soll ich mitkommen?«
    »Nein, schon okay. Aber danke.« Vito zog die Stiefel an. »Jetzt lass uns mal sehen, was sie gefunden haben.« Sechs Jahre bei der Mordkommission hatten Vito beigebracht, dass es keine »einfachen« Morde gab - nur verschiedene Abstufungen von Grausamkeit. Sobald er am Rand des Grabes anhielt, das die Spurensicherung freigelegt hatte, wusste er, dass dies einer der grausameren Morde war.
    Weder Vito noch Nick sagten etwas, während sie das Opfer betrachteten. Es hätte ewig unentdeckt bleiben können, wäre da nicht der ältere Mann mit seinem Metalldetektor gewesen. Die Rosen, der Friedhof und alles andere waren vergessen, als Vito sich auf die Leiche konzentrierte. Sein Blick wanderte von ihren Händen zu dem, was von ihrem Gesicht übrig geblieben war.
    Ihre Jane Doe war klein, keine eins sechzig groß, und wirkte jung. Kurzes dunkles Haar umrahmte ein Gesicht, das
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