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Todesdrang: Thriller (German Edition)

Todesdrang: Thriller (German Edition)

Titel: Todesdrang: Thriller (German Edition)
Autoren: Michael Hübner
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er lautstark Sinatras My Way mitsang, das aus dem Küchenradio erklang.
    Vermutlich der Postbote , dachte er, wobei er beschämt feststellte, dass er noch immer seinen Pyjama trug. Es war bereits nach zehn. Anke war nach dem gemeinsamen Frühstück zu ihrem üblichen Samstagmorgen-Einkaufsmarathon aufgebrochen, und anschließend wollte sie die Kinder bei ihrer Freundin abliefern. Es war also an ihm, die Tür zu öffnen. Erst vor einigen Wochen war er unverhofft dem Postboten in seiner ganz eigenen Variante eines Freizeitanzugs entgegengetreten, der aus einem verwaschenen braunen Sweatshirt mit dem Aufdruck »Hausarbeit gefährdet meine Gesundheit« und einer alten dunkelblauen Trainingshose bestanden hatte, woraufhin Dirk befürchtet hatte, er müsse sich seine Post demnächst selbst in der Filiale im Ort abholen. Aber anscheinend waren Kurierfahrer diesbezüglich einiges gewohnt.
    Er stellte die Tasse auf dem Tisch ab und versuchte vergeblich, Cookie zu beruhigen, der an der Haustür hochsprang und kläffte. Als Dirk sie öffnete, war er überrascht. Der Mann vor ihm war noch unpassender gekleidet als Dirk selbst. Er trug einen zerlumpten, olivgrünen Parka und eine braune Hose, die vor Dreck stand. Etliche Flecken unterschiedlicher Konsistenz durchzogen den Stoff. Die Ränder seiner braunen Stiefel waren an den Nähten eingerissen, und die Ohrenklappen seiner Fellmütze hingen lose herunter. Auch sein Gesicht, das größtenteils unter einem wild sprießenden Bart verborgen lag, machte einen ungepflegten Eindruck. Einzig seine Augen schienen klar und wachsam zu sein und wirkten um einiges jünger als der Rest seiner Erscheinung.
    »Was wollen Sie?«, fragte Dirk barsch, während er Cookie mit seinem rechten Bein den Durchgang versperrte. Der kalte Februarwind schlug Dirk durch die geöffnete Tür unangenehm entgegen.
    Der Mann musterte ihn eingehend, sagte aber kein Wort.
    »Hören Sie«, meinte Dirk ungehalten und schlang frierend die Arme um seinen Oberkörper, »wenn Sie betteln wollen, sind Sie bei mir an der falschen Adresse.«
    Der Mann sah ihm direkt in die Augen. »Keine Sorge«, sagte er mit heiserer Stimme, die sich seltsam verstellt anhörte, als läge sie aufgrund jahrelangen Alkoholmissbrauchs einige Oktaven tiefer als gewöhnlich. »Ich bin nur hier, weil mir ein Typ ’nen Hunderter dafür gezahlt hat, dass ich Ihnen das hier überbringe.« Er hielt Dirk einen verschlossenen Umschlag hin.
    Verwundert betrachtete Dirk das weiße Kuvert und nahm es schließlich zögernd entgegen. Seine Hand zitterte vor Kälte, während Cookie anfing zu knurren. »Hat … hat dieser Typ auch gesagt, worum es sich dabei handelt?«, fragte Dirk.
    Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Tja, dann vielen Dank«, sagte Dirk, dessen Drang, diese seltsame Begegnung so schnell wie möglich zu beenden, über seine Verwirrung triumphierte. Er war gerade im Begriff, die Tür zu schließen, als die raue Stimme des Mannes ihn zurückhielt.
    »Er hat allerdings gesagt, ich soll so lange hier stehen bleiben, bis Sie den Brief gelesen haben.«
    Dirk, der die Haustür bereits halb geschlossen hatte, hielt mitten in der Bewegung inne. »Was?«
    Der Mann zuckte nur mit den Schultern. »Er hat gesagt, ich soll erst weggehen, wenn Sie die Nachricht gelesen haben. Und dann soll ich Ihnen noch das hier mitteilen.« Der Mann machte eine Geste mit Zeige- und Mittelfinger, die er gestreckt zu den Augen führte und anschließend in Dirks Richtung schwenkte.
    Dirk lachte freudlos. »Das ist ein Scherz, oder? Wer hat Sie geschickt? Jemand aus der Bank?«
    Wieder ein Schulterzucken. »Ich weiß nicht, wer der Kerl ist«, beteuerte der Mann. »Hab ihn noch nie vorher gesehen. Er hat mich heute Morgen angequatscht, vor der Bahnhofsmission.«
    »Und wie sah der Kerl aus?«
    Der Mann prustete die Backen auf. »Weiß nicht«, meinte er und suchte in seinem zweifelsohne getrübten Gedächtnis nach einer Beschreibung. »Ein junger Mann, würde ich sagen. Blaue Jacke, blaue Schirmmütze. Etwa eins achtzig, dunkle Haare, glattrasiert. Mehr kann ich nicht sagen.«
    Die Beschreibung passte auf Christian Kuhn, das karrieregeile Arschloch aus der Anlagenabteilung. Aber wohl ebenso gut auf Tausende andere.
    »Der Kerl hat mir vorhin das Geld und zwei Bustickets in die Hand gedrückt und gesagt, ich solle das hier abgeben«, fuhr der Mann fort. »Was ist denn nun?«, fragte er ungeduldig. »Es ist saukalt hier draußen. Lesen Sie das jetzt oder nicht?«
    Dirk
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