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Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Titel: Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
Autoren: Andreas Schmidt
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ihrem Leben war, den sie ihren Kolleginnen gegenüber zu einem absoluten Tabuthema gemacht hatte?
    Wiebkes Blick glitt wieder über die Fotos. Von einem Mann an ihrer Seite keine Spur. Sie betrachtete die Aufnahmen etwas genauer. Fast immer war Ellen an der Seite eines größeren Mädchens zu sehen, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten schien. Wohl doch keine Freundin, vielleicht die große Schwester, überlegte Wiebke und dachte an ihre eigene Familie. So etwas wie ein gemütliches Zuhause hatte sie nie kennengelernt. Vater war immer im Dienst und ließ Mutter allein zurück. Nachdem sie in den Norden der Republik gezogen waren, hatte sich Mutter alle erdenkliche Mühe gegeben, ihr ein perfektes Zuhause zu bieten, doch was immer gefehlt hatte, war ein Vater. Vielleicht sollte sie den Kontakt zu ihm suchen, überlegte Wiebke. Norbert Ulbricht würde sich vielleicht freuen, wenn er erfuhr, dass seine Tochter in seine Fußstapfen getreten und auch zur Kriminalpolizei gegangen war.
    »Bitte halten Sie mich nicht für unhöflich, aber ich möchte Sie bitten, jetzt zu gehen.« Unbemerkt war Ellen Budde hinter sie getreten. Noch immer fehlte ihrem Gesicht Farbe, und ihre Blicke wirkten unsicher. Wiebke wunderte sich, dass die Nachricht, Bentes Liebhaber sei ein Vergewaltiger gewesen, sie so mitnahm, hatte aber keine Einwände.
    »Ich möchte Sie nicht aufhalten«, nickte sie. »Entschuldigen Sie noch einmal die Störung.«
    »Kein Problem«, erwiderte Ellen Budde, doch am Klang ihrer Stimme hörte Wiebke heraus, dass es sich dabei nur um eine Floskel handelte. Sie verabschiedeten sich voneinander, und erst im Flur bedankte sich die junge Frau für das mitgebrachte Essen.
    »Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?« Wiebke zögerte und hoffte, dass Ellen Budde ihr die Unsicherheit nicht ansah.
    Die junge Frau legte den Kopf schräg. »Bitte.«
    »Nehmen Sie es mir nicht persönlich. Sind Sie lesbisch?«
    Nun lachte Ellen Budde. »Stehen Sie auf mich?«
    Wiebke schüttelte den Kopf und hoffte, dass ihr Ellen Budde die Frage nachsehen würde. »Nein, ich hatte bis vor Kurzem einen Freund.«
    »Dann bevorzugen wir ja beide Männer.« Ellens Miene verdunkelte sich. »Das war Ihre Frage?«
    »Ja.« Wiebke bedankte sich noch einmal und wandte sich zum Gehen. Nachdenklich trat sie auf die Straße, blickte sich noch einmal zu dem Haus um und sah Ellen Buddes Gestalt schemenhaft am Fenster stehen. Sie blickte ihr nach und verschwand erst vom Fenster, als Wiebke in ihren Wagen gestiegen war.
    Wiebke setzte die Fahrt fort und erreichte schon bald die Landstraße über Ipernstedt und Wittbek nach Ostenfeld. Ein scharfer Westwind wehte ins Landesinnere, und Wiebke musste das Tempo drosseln, um nicht von der Straße abzukommen. Die schweren Bäume am Straßenrand bogen sich bedenklich. Wiebke hatte noch immer nicht herausgefunden, worüber Ellen Budde mit niemandem sprach. Ihre vermeintliche Liebe zu Frauen war es jedenfalls nicht.
     
     
    Sechsundzwanzig
     
    »Wir müssen reden.« Wiebke gingen viele Dinge im Kopf herum. Nachdem sie sich um ihren Kater gekümmert hatte, war sie zum Telefon gegangen und hatte Tiedjes Handynummer gewählt, die sie noch auswendig kannte. Garfield strich um ihre Beine, während sie mit ihrem Exfreund telefonierte.
    Tiedje brummte. »Das wollte ich ja neulich schon.«
    »Da wolltest du mit mir schlafen«, konterte Wiebke unbeeindruckt. »Und es wäre dir fast gelungen«, fügte sie leiser hinzu.
    »Wäre da nicht der Job zwischengekommen«, erwiderte Tiedje. »Wie immer.«
    »Hör zu, ich will mich nicht mit dir streiten, es wird Zeit, dass wir mit der Vergangenheit aufräumen. So geht das mit uns nicht weiter, Tiedje. Du bist mir noch lange nicht gleichgültig, aber ich sitze nicht zu Hause rum und warte auf dich, während du dich mit jungen Dingern vergnügst. Entweder sind wir ein Paar oder nicht.«
    »Oder wir sind gute Freunde«, murmelte er versöhnlich.
    »Kriegen wir das hin, nur gute Freunde zu sein?«
    »Wir können es ja mal versuchen. Ich habe eingesehen, dass dir dein Job wichtig ist, Wiebke. Und vielleicht nutzt es dir, wenn ich dich da, wo ich kann, unterstütze.«
    »Manchmal wäre mir auch schon mit seelischem Beistand sehr geholfen.«
    »Ich kann es versuchen.«
    »Kommst du vorbei?« Wiebkes Stimme klang sanft.
    »Ich bin in zehn Minuten bei dir.« Er hatte aufgelegt, bevor sie etwas erwidern konnte. Nachdenklich blickte sie auf das Telefon, das sie auf den Wohnzimmertisch
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