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Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Titel: Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
Autoren: Andreas Schmidt
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gezwungen, die bizarre Szenerie zu betrachten. Bente spannte die Muskeln an, wollte sich abwenden und die Polizei rufen, flüchten, doch sie spürte nur, wie ihre Knie weich wurden und der Boden unter ihr nachzugeben schien. Aber das alles war Einbildung. Bis auf den Mann in ihrem Strandkorb.
    Er war keine Einbildung.
    Bente erkannte den tiefroten Blutfleck, der sich unter dem Mann ausbreitete und in den Sand gesickert war. Am liebsten hätte sie geschrien, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Sie schluckte trocken, als sie den Strandkorb umrundete. Die Augen des Mannes waren weit aufgerissen. Es schien, als würde er sie anstarren. Vorwurfsvoll und gleichermaßen zu Tode verängstigt. Sein Mund stand einen Spaltbreit offen, anklagend. Sie sah den dunklen Fleck auf seiner rechten Schläfe, Bente erkannte die Einschusswunde. Hier kam jede Hilfe zu spät.
     
     
     
    Drei
     
    Die ersten Sonnenstrahlen des Tages spiegelten sich auf der Nordsee und brachen sich tausendfach auf den Wellen. Erst vor wenigen Minuten war die Sonne durch die Wolken gebrochen und tauchte den Himmel über dem Husumer Badestrand Dockkoog in ein fast violettes Licht. Wiebke liebte diese Lichtkomposition, die es nur hier oben im äußersten Norden des Landes gab, und genoss die Weite und Freiheit. Unwillkürlich atmete sie tief durch und sog die frische Seeluft tief in ihre Lungen. Über ihrem Kopf kreischten einige Möwen auf der Suche nach Beute. Wiebkes Atem ging rasselnd – sie war seit langer Zeit nicht mehr gejoggt. Doch an diesem Morgen hatte sie sich endlich einmal aufgerafft, den Wecker gestellt, war in die Laufklamotten geschlüpft und hatte im Morgengrauen das Backsteinhaus in Ostenfeld verlassen, um zum Dockkoog zu fahren. Auf der Ostenfelder Straße hatte kaum Verkehr geherrscht, und so hatte sie die zwölf Kilometer bis Husum in einer rekordverdächtigen Zeit bewältigt.
    Morgens um sieben Uhr lag der Strand noch verlassen da. Bei gutem Wetter würden sich die ersten Touristen in zwei, drei Stunden einfinden. Am Nordseehotel , einem tiefroten Backsteinbau aus den Siebzigern, hatte Wiebke den Deich überquert und genoss jetzt die atemberaubende Aussicht auf die Nordsee. Das hölzerne Gebäude der DLRG schälte sich im Hintergrund aus dem Morgendunst. Der benachbarte Imbiss mit der bunt gestrichenen Fassade lag noch verlassen da. Es herrschte Flut, und die Wellen schlugen bis an das befestigte Ufer. Auf den Deichen weideten Schafe. Die Tiere blickten sie teils gleichgültig, teils neugierig an, bevor sie sich wieder mit dem satten Grün beschäftigten.
    Sie ärgerte sich über ihre schlechte Kondition und dachte daran, dass die letzten Wochen anstrengend genug gewesen waren.
    Nach ihrer Entscheidung für eine Karriere bei der Kriminalpolizei hatte sie sich in Kiel zur Kommissarin ausbilden lassen. Es war schon fast ein Sechser im Lotto gewesen, dass rechtzeitig zum Ende ihrer Ausbildung eine Planstelle in der Polizeidirektion Husum freigeworden war. Im Vergleich zu anderen Dienststellen hatte Husum nicht mit dem Verbrechen im großen Stil zu kämpfen – in Nordfriesland ging es relativ friedlich zu, und die Gegend um Husum herum hatte wohl die niedrigste Kriminalitätsrate Deutschlands. Der Hauptgrund ihrer Bewerbung war, dass sie in der Nähe ihres Wohnortes arbeiten konnte. Seit drei Wochen war Wiebke Ulbricht also Kriminalkommissarin bei der Kripo Husum.
    Im Berufsleben war alles gut verlaufen, doch ihr Privatleben hatte unter dem Job gelitten: Ihr Freund Tiedje studierte in Kiel. Er hatte dort eine andere Frau kennengelernt und sich nach zwei gemeinsamen Jahren von Wiebke getrennt. Er war noch nie ein Mann großer Worte gewesen. »Du arbeitest zu viel«, hatte er lapidar gesagt. »Für uns ist keine Zeit mehr vorhanden, und die Stelle bei der Polizei nimmt dich total in Beschlag.« Noch am gleichen Tage hatte er seine Koffer gepackt und war nach Kiel gefahren, zu Vera, seiner neuen Freundin.
    Seit er aus ihrem Leben verschwunden war, fühlte Wiebke sich einsam. Obwohl sie erst Ende zwanzig war, hatte sie plötzlich Angst, irgendwann alleine zu sterben. Natürlich gab es einige Verehrer, immerhin war sie nicht hässlich, doch sie hatte Angst vor einer neuen Enttäuschung und vermied es tunlichst, sich in einen Mann zu verlieben.
    Auf Höhe des DLRG-Gebäudes spürte sie ein sanftes Vibrieren. Wiebke verlangsamte ihre Schritte. Jetzt hörte sie das Klingeln des Telefons. Sie zwang sich, ruhig durchzuatmen und verfluchte einmal
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