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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers
Autoren: Magdalen Nabb
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arbeitete, hatte versucht, ein wenig Schlaf zu bekom m en. Für alle diese Leute war kaum Platz in der kleinen Küche, doch Signora Giusti, so berichtete Lorenzini, war i n ihrem El e m ent gewesen, hatte abwechselnd geschluchzt und drauflosgeplappert, zufrieden über das Interesse, das ihr, wie sie m einte, zustand.
    Im m erhin, dachte der Wachtm e ister, während diese winzige Gestalt m it piepsiger Vogelstimme e ndlos über die Schandtaten der Altenpflegerin schi m pfte, immerhin war nicht zu leugnen, daß sie tatsächlich einundneunzig war und kaum hoffen konnte, i hre Wohnung je zu verlassen, außer in ihrem eigenen Sarg.
    » …erklärt mir, ich soll dankbar sein! Dankbar! Daß der einzige Mensch, den ich den ganzen Tag zu Gesicht bekomme, eine Fre m de ist, die glaubt, sie kann in m einer Wohnung m achen, w as sie will, und die m ir vorschreibt, was ich tun und was ich essen soll… Sie hat m ir sogar die Haare geschnitten, wissen Sie das? Mein wunderschönes Haar…«
    Sie weinte j etzt ehrlich, obwohl m a n bei ihr n i e sicher se i n konnte. Ihr Haar – sie hatte schönes weißes und für ihr A l ter ziemlich kr ä ftiges Haar – reichte tatsächlich knapp über die Ohren, wie bei einem jungen Mädchen.
    » Vielleicht dachte sie, es wäre beque m er für Sie « , m u r m elte der Wachtm e ister verdrießlich. Ihm fiel ein, daß m a n seiner Mutter nach dem S chlaganfall vor drei Monaten ebenfalls die Haare abgeschnitten hatte…, a ber sie war jetzt wirkli c h wie ein Kind, und es war keine Fre m de gewesen, die es geschnitten hatte, sondern seine Frau. War es m öglich, daß m an m it einundneunzig noch immer eitel war?
    An der gelb glänzenden Küchenwand hingen, neben einem billigen Farbporträt von Papst Johannes XXIII., das m it altem La m e tta und einer roten Plastikrose gesch m ückt war, ein paar Fa m ilienfotos, gute Rah m en, wahrscheinlich aus Silber. Auf einem Foto war ein außergewöhnlich schönes Mädchen m it ei n em prächtigen schwarzen Haarschopf, einem hohen Spitzenkragen und schweren Perlenketten zu sehen. Der Wachtmeister hatte das Bild einige Minuten lang versonnen bewundert, als ihm plötzlich klar wurde, daß es Signora Giusti sein m ußte. Im Mittelpunkt des Interesses zu stehen m ußte für sie wohl etwas ganz Nor m ales gewesen sein, und jetzt… Dort, wo sich jetzt zwei ausgeblichene Stellen zeigten, hatten s i cher zwei weitere Fotos gehangen. Hatte sie die silbernen Rah m en verkaufen m üssen?
    » Sie wird m ich nicht herausbeko mm en. Ich lasse m ich nicht aus m einer Wohnung rauswerfen wie ein Nie m and, nur da m it hier alles geplündert wird. Ich habe ihr erklärt, daß m an m ich ausrauben könnte, aber sie denkt nur an ihre Ferien – und solche Menschen m uß ich in m eine Wohnung lassen! Und für d i ese Behandlung soll ich auch noch dankbar sein – ich gehe aber nicht freiwillig, und sie kann m ich nicht zwingen. Sie m üssen es ihr sagen! Wenn Sie es ihr sagen…«
    Der Wachtmeister war völlig verwirrt.
    »Ich weiß n icht, was Sie m einen. Wer will, d aß Sie wohin gehen ? «
    Ihr endloses Geplapper strengte ihn an. Er war hungrig und m üde, aber sie war lebhaft wie eh und je, saß zerbrechlich, aber kerzengerade in ihrem S essel, Augen und Hände in ständiger Bewegung, und redete ununterbrochen.
    »Ich habe Ihnen schon m al erklärt, wenn Sie nur zugehört hätten, daß sie seit einem Monat versucht, m ich loszuwerden, m ich in ein Krankenhaus zu stecken, während sie Ferien m acht…, wie wenn m an einen Hund in eine Hü t te sperrt…«
    » Ach so, Sie m einen die P flegerin. Aber dieses Krankenhaus…«
    » Na ja, es ist genaugenom m en kein Krankenhaus, m ehr eine Art Erholungshe im , oben in den Bergen. Soll dort küh l er sein als hier in Florenz.«
    »Wird wohl stimmen, wenn es in den Bergen liegt – und wissen Sie, Signora, diese junge Frau, diese Pflegerin… wie heißt sie gleich … «
    »Ich weiß es nicht « , log Signora Giusti schnippisch.
    » Also, sie hat doch ver m utlich Familie und m uß ihren Urlaub neh m en, wenn die Kinder Schulferien haben.«
    » Dann sollen sie je m a n d anderes schicken und m i ch nicht wegpacken wie ein Bündel Lu m pen . «
    Sie weinte wieder.
    Der Wachtmeister seufzte. Er hatte keine Ahnung, warum sie ihn in diese Geschichte hineinziehen wollte, aber die Pflegerin, die das jeden Tag durch m achen m u ß te, tat ihm leid. Er probierte es m it einer anderen Me t hode.
    » Hören Sie, Signora… « , er beugte
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