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Till Eulenspiegel

Till Eulenspiegel

Titel: Till Eulenspiegel
Autoren: Erich Kästner
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über dem Kopf zusammen. Ihr Herr Sohn stand, mitten über dem Fluß, auf ihrer Wäscheleine und machte Kunststückchen! Kurz entschlossen nahm sie das Kartoffel-schälmesser aus der Schürzentasche und schnitt – ritsch!
    die Leine durch. Und Till, der nichts gemerkt hatte, fiel sozusagen aus allen Wolken. Er fiel aus den Wolken kerzengerade in den Fluß und mußte, statt auf dem Seil zu tanzen, in der Saale baden. Die Kinder und die Nachbarn und überhaupt alle, die das mitangesehen hatten, lachten sich halbtot und ärgerten Till durch schadenfrohe Zurufe.
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    Er krabbelte ans Ufer und tat, als hätte er nichts gehört. Doch im stillen nahm er sich vor, ihnen ihre Schadenfreude heimzuzahlen. Wenn möglich mit Zinsen.
    Schon am nächsten Tag spannte er also sein Seil von neuem. Diesmal machte er es aber nicht am Bodenfenster seiner Mutter fest. Denn er wollte nicht schon wieder in der Saale baden. Weil, wie es heißt, von dem zu häufigen Baden die Haut dünn wird.
    Nein, er spannte das Seil zwischen zwei anderen Häusern aus, hoch in der Luft, aber so, daß Frau Eulenspiegel es nicht sehen konnte. Natürlich kamen die Kinder wieder angerannt, und Bauern und Bäuerinnen kamen auch. Sie lachten und machten Witze über Till und fragten, ob er wieder vom Seil fallen wolle. Einige riefen, er müsse unbedingt herunterfallen, sonst mache ihnen die ganze Sache keinen Spaß. Eulenspiegel aber sagte: „Heute zeige ich euch etwas noch viel Schöneres.
    Ihr müßt nur eure linken Schuhe ausziehen und sie mir aufs Seil geben. Sonst kann ich das Kunststück leider nicht machen.“ Erst wollten sie nicht recht. Doch dann zog einer nach dem anderen seinen linken Stiefel aus, und schließlich hatte Till hundertundzwanzig linke Schuhe vor sich liegen!
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    Er knüpfte sie mit den Schnürsenkeln zusammen und kletterte, mit dem Stiefelberg beladen, aufs Seil hinauf.
    Unter ihm standen hundertundzwanzig Zuschauer, und jeder von ihnen hatte nur noch einen Schuh an.

    Eulenspiegel ging nun, vorsichtig balancierend, mit dem riesigen Schuhbündel Schritt für Schritt auf dem Seil vorwärts. Als er in der Mitte des Seils angekommen war, knüpfte er die Senkel auf und rief: „Aufgepaßt!“ Und dann warf er die hundertundzwanzig Schuhe auf die Straße hinunter! „Da habt ihr eure Pantinen wieder!“ rief er lachend. Paßt aber gut auf, daß ihr sie nicht vertauscht!“
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    Da lagen nun hundertzwanzig Schuhe auf der Straße, und drumherum standen hundertzwanzig Leute, von denen jeder einen Schuh zuwenig anhatte! Und dann stürzten sie wie die Verrückten über die Schuhe her.
    Jeder suchte den, der ihm gehörte. Und bald war die schönste Prügelei im Gange. Man schlug sich und riß sich an den Haaren und wälzte sich brüllend auf der Straße herum.
    Es dauerte eine Stunde und dreiundvierzig Minuten, bis jeder seinen linken Schuh wiederhatte. Aber wie die armen Leute aussahen! Sie hatten Beulen am Kopf und Löcher in den Hosen. Sieben Zähne lagen auf der Straße.
    Und neunzehn Bauern und elf Kinder konnten kaum nach Hause gehen, so humpelten sie.

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    Alle aber schworen sie, Till Eulenspiegel kurz und klein zu prügeln, wenn sie ihn erwischten.
    Nur, das mit dem Erwischen war schwierig. Denn Till ging ein Vierteljahr lang nicht vor die Tür. Er saß die ganze Zeit bei seiner Mutter im Hause. Und sie freute sich und sagte: „Das ist recht, mein Sohn. Endlich bist du vernünftig geworden.“ Die Ärmste!
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    3. WIE EULENSPIEGEL IN EINEM BIENENKORB
    SCHLIEF

    Einmal war Till mit seiner Mutter in einem Nachbardorf zur Kirchweih. Dort trank der Lümmel so viel Bier, daß er schon am hellen Mittag total betrunken war. Außerdem war er auch müde und suchte sich ein schattiges Plätzchen zum Schlafen.

    Dabei geriet er in einen stillen Garten, in dem viele Bienenstöcke standen. Es waren auch leere Stöcke darunter, und in einen der leeren Bienenstöcke legte er sich und schlief ein. Er schlief von Mittag bis gegen Mitternacht. Und Frau Eulenspiegel, die ihren Herrn Sohn überall auf dem Kirchweihrummel gesucht hatte, dachte, er sei schon längst nach Hause gegangen.
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    Statt dessen lag er, wie gesagt, in dem leeren Bienenkorb und schlief seinen Schwips aus.
    Gegen Mitternacht kamen zwei Diebe in den stillen, abgelegenen Garten und wollten einen Bienenkorb stehlen, um dann den Honig zu verkaufen. „Wir werden den schwersten Korb nehmen“, sagte der eine Dieb. „Je schwerer der Korb ist, um so mehr Honig hat er.“
    „In
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