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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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befreien, spürte sie, wie sich ihr Glassplitter schmerzhaft in den Rücken bohrten. Das Wesen drückte sie mit seinem ganzen Gewicht nach unten. Nora sah Haare und Krallen, einen nackten Bauch, auf den leuchtende, an einen Jaguar erinnernde Flecken gemalt waren, und darunter einen Gürtel mit silbernen Conchas. Kleine, stark gerötete Augen starrten sie durch die Schlitze einer speckigen Ledermaske an.
    »Wo ist der Brief?«, fragte eine raue Stimme. Nora roch den süßlichen Gestank von verrottendem Fleisch.
    Nora brachte keinen Ton heraus.
    »Wo ist er?«, wiederholte die Stimme kehlig und stockend wie ein Tier, das die menschliche Sprache nachahmt. Die Klauen schlössen sich wie Schraubstöcke um ihren Hals und ihren rechten Arm.
    »Was für ein Brief?«, brachte Nora schließlich krächzend hervor.
    »Sag schon, oder wir reißen dir den Kopf ab«, keuchte die Kreatur und verstärkte ihren Griff. Von einer plötzlichen Panik ergriffen, versuchte Nora sich loszustrampeln, aber die Klaue um ihren Hals drückte weiter unerbittlich zu. Nora würgte vor Schmerz und Angst.
    Dann zuckte auf einmal ein greller Blitz durch das Wohnzimmer, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall. Nora spürte, wie sich die Klaue um ihren Hals lockerte, und befreite sich mit wilden Kopfbewegungen vollends aus ihrem Griff. Als sie sich zur Seite rollte, erschütterte ein zweiter Schuss den Raum, und ein Schauer aus Holzsplittern und Verputz regnete auf sie herab. Nora rappelte sich hoch und hörte, wie Glasscherben über den Fußboden klirrten. Ohne ihre Taschenlampe, die bei dem Sturz ausgegangen war, hatte sie Schwierigkeiten, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden.
    »Nora?«, hörte sie eine Stimme rufen. »Nora, bist du das?« Im Rahmen der Eingangstür konnte sie eine dickliche Gestalt erkennen, die eine Schrotflinte in der Hand hielt.
    »Teresa!«, rief Nora schluchzend und taumelte ins Licht.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Teresa und nahm Nora am Arm.
    »Ich weiß nicht.«
    »Machen wir, dass wir hier rauskommen!«
    Draußen ließ Nora sich ins Gras sinken und sog die kühle Luft des Abends tief in ihre Lungen. Das Herz klopfte ihr bis in den Hals.
    »Was ist denn passiert?«, hörte sie Teresa fragen. »Ich habe irgendwelche scharrenden Geräusche gehört und ein Licht gesehen.«
    Nora schüttelte bloß den Kopf und rang nach Atem.
    »Diese wilden Hunde sahen ja Furcht erregend aus«, fuhr Teresa fort, »fast so groß wie Wölfe.«
    Nora schüttelte abermals den Kopf. »Nein. Das waren keine Hunde. Einer von ihnen hat mit mir gesprochen.«
    Teresa musterte sie mit einem seltsamen Blick. »Sieht aus, als hätten sie dich in den Arm gebissen. Ich sollte dich besser ins Krankenhaus fahren.«
    »Kommt nicht in Frage.«
    Teresa runzelte die Stirn und betrachtete die dunklen Umrisse des Hauses. »Die hatten es ganz schön eilig, von hier zu verschwinden. Zuerst die Jugendlichen, und jetzt diese Viecher. Aber wie können Hunde so schnell...«
    »Teresa, einer von ihnen hat mit mir gesprochen!«
    Teresa sah sie noch skeptischer an als zuvor. »Das muss ein schlimmer Schock für dich gewesen sein«, meinte sie schließlich. »Du hättest mir sagen sollen, dass du herauskommst, dann hätten Señor Winchester und ich dich an der Straße in Empfang genommen.« Sie streichelte liebevoll den Lauf ihrer Waffe.
    Nora blickte der massiv gebauten Frau in ihr zwar etwas mitgenommen, aber immer noch zuversichtlich wirkendes Gesicht. Sie wusste, dass Teresa ihr nicht glaubte, aber ihr fehlte die Kraft, um sie zu überzeugen. »Nächstes Mal sage ich dir vorher Bescheid«, versprach sie.
    »Hoffentlich gibt es kein nächstes Mal«, meinte Teresa sanft. »Du musst dieses Haus entweder abreißen lassen oder es verkaufen, damit jemand anders das tun kann. Diese Ranch entwickelt sich langsam zu einem Problem für uns alle.«
    »Ich weiß, dass sie kein schöner Anblick ist. Aber ich hasse den Gedanken, sie aufzugeben. Tut mir Leid, wenn sie dir Probleme macht.«
    »Na ja, vielleicht bringt dich dieses Erlebnis ja zur Vernunft. Warum kommst du nicht mit rüber und isst einen Happen mit mir?«
    »Nein, danke, Teresa«, sagte Nora so bestimmt, wie sie nur konnte. »Mit mir ist schon wieder alles in Ordnung.«
    »Na hoffentlich«, entgegnete die Nachbarin. »Aber an deiner Stelle würde ich mir trotzdem eine Tetanusspritze geben lassen.«
    Nora sah ihrer Nachbarin noch eine Weile nach, wie sie hinüber zu ihrem Haus ging. Dann setzte sie sich ans Steuer ihres
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