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Teufelsjagd

Teufelsjagd

Titel: Teufelsjagd
Autoren: Paul Harding
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schrie er, und seine Stimme dröhnte wie eine Glocke. »Aschams Meuchelmörder, Passerel, der Lügner! Passerel, der Mörder!«
    Die anderen wiederholten seine Worte. Dreck und Unrat wurden gegen das Fenster geschleudert. Ein Ziegel durchschlug die Bleiglasscheibe. Passerel jammerte und zog seinen Umhang enger um sich. Er zuckte zusammen, als die Tür aufgerissen wurde. Leonard Appleston, Lehrer der Theologie des College, stürzte herein. Sein eckiges, sonnengebräuntes Gesicht war aschfahl, und seine Lippen waren angstvoll zusammengepreßt.
    »William, um Gottes willen!« Er packte den Schatzmeister am Arm. »Du mußt fliehen!«
    »Wohin?« Passerels Hände zitterten.
    »In die Kirche, ins Kirchenasyl«, antwortete Appleston und zog den Schatzmeister an sich heran. »Nimm die Hintertreppe, schnell. Geh!«
    Passerel blickte sich in seinem Zimmer um und auf seine Bücher und geliebten Handschriften. Er, der Gelehrte, war gezwungen, wie eine Ratte durch ein Abflußrohr zu fliehen. Er hatte keine Wahl. Appleston stieß ihn bereits aus dem Zimmer und den Gang entlang. Auf der Treppe sahen sie Lady Mathilda Braose. Ihr dünnes, giftiges Gesicht war voller Angst. Neben ihr ging der taubstumme Master Moth, der ihr wie ein Hund überallhin folgte. Sie rief etwas, aber Appleston stieß Passerel an ihr vorbei. Der Schatzmeister, dem die Angst Beine gemacht hatte, eilte durch die Küche und die Spülküche und auf eine nach Urin stinkende Gasse. Eine räudige Katze näherte sich ihm und machte einen Buckel. Passerel schlug nach ihr und schaute durch die Tür zurück. Dort stand Appleston und drängte ihn, weiterzugehen.
    »Warum sollte ich fliehen?« Passerels Unterlippe bebte. »Warum sollte ich?« schrie er.
    Er hörte ein Geräusch am Ende der Gasse und schaute auf. Vor Angst wurde ihm ganz übel. Eine Gruppe Studenten hatte sich dort versammelt. Passerel hoffte, daß sie ihn bei dem schlechten Licht nicht sehen würden. Er preßte sich an die Mauer, schloß die Augen und betete zur heiligen Anne, seiner Schutzheiligen.
    »Dort ist er!« rief eine Stimme. »Passerel, der Mörder!« Der Schatzmeister flüchtete die Gasse entlang. An ihrem Ende blieb er stehen. Wohin sollte er fliehen? Die Bocardo Lane entlang? Vielleicht konnte er das Castle erreichen? Er hörte das Geräusch laufender Schritte und änderte die Richtung. Er rannte so schnell er konnte, drängte sich an Studenten und Kaufleuten vorbei und stieß einige Kinder um, die mit einer aufgeblasenen Schweineblase spielten. Er atmete erleichtert auf, als er das Kirchhoftor der St. Michael’s Church vor sich sah. Hinter ihm erschollen Vorwärts-Rufe. Die allgemeine Verfolgung wurde aufgenommen. Er dachte schon, er hätte seine Verfolger überlistet, da sauste ein Erdklumpen an seinem Kopf vorbei. Passerel eilte über den Friedhof und sprang durch das Portal der Kirche. Er warf die Tür hinter sich zu und legte den Riegel vor.
    »Was wollt Ihr?« fragte eine singende Frauenstimme. Schweißgebadet spähte Passerel ins Dunkel. Er bemerkte einen Lichtschein, der durch einen Spalt in einer hölzernen Trennwand über der Tür fiel. Erst meinte er einen Geist vernommen zu haben, bis ihm klar wurde, daß es sich um die Zelle einer Anachoretin handelte, die sich direkt über dem Hauptportal befand. Passerel hörte von draußen Rufe und Schläge gegen die Tür.
    »Ich suche Asyl!« sagte er atemlos.
    »Dann läutet die Glocke zu Eurer Linken«, befahl ihm die Anachoretin. »Beeilt Euch! Die Kirche hat einen Seiteneingang. Sie können Euch den Weg abschneiden!« Passerel tastete im Dunkeln und zog an einem Seil. Über ihm begann laut wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts eine Glocke zu läuten.
    »Lauft!« rief die Anachoretin.
    Passerel mußte sich das nicht zweimal sagen lassen. Er rannte den Mittelgang entlang und wäre beinahe auf dem glatten Kalksteinboden ausgerutscht. Er erreichte den niedrigen Lettner aus massivem Eichenholz, stolperte durch den Eingang ins Allerheiligste und klammerte sich am Altar fest. Die Glocke, an deren Seil er so heftig gezogen hatte, läutete immer noch. Passerel kauerte schluchzend wie ein Kind in der Dunkelheit. Er schaute auf das rote Lämpchen, eine Kerze in einer roten Glasschale, die auf einem Bord unterhalb der silbernen Pyxis mit der Hostie stand. Die Seitentür flog krachend auf. Passerel wimmerte vor Angst.
    »Was wollt Ihr? Was sucht Ihr hier?«
    Passerel kniff die Augen zusammen. Eine Gestalt mit Kapuze stand im Durchgang durch den
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