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Terror

Terror

Titel: Terror
Autoren: Dan Simmons
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geschlossen. Sie mussten die qajaqs und Asiajuqs umiaq am Strand zurücklassen und verbergen und mit den sechs Hunden vor dem schweren, dreizehn Fuß langen qamutik weiterziehen. Mit sicherem Instinkt gisste Silence ihren Kurs und führte die Gruppe die fünfundzwanzig Meilen lange Strecke zur Westküste, wo Puturaq das Schiff gesehen und sogar auf seinem Deck gestanden hatte, wie er zuletzt zugab.
    Asiajuq wollte sein bequemes Boot eigentlich nicht verlassen. Doch Silna, eine von den Gottwandlern besonders verehrte Geistherrscherin, bat ihn inständig darum, sie zu begleiten. Und die Bitte einer silam inua war selbst für den mürrischsten Schamanen ein Befehl. So verzichtete Asiajuq darauf, sich von seinen Jägern nach Hause bringen zu lassen. Nun saß er würdevoll unter seinen Pelzen auf dem qamutik und ließ sich sogar gelegentlich dazu herab, Steine nach den Hunden zu werfen und sie mit den entsprechenden Kommandos anzufeuern, je nachdem, ob sie nach links oder nach rechts ziehen sollten. Crozier fragte sich, ob in dem alten Schamanen Erinnerungen an die Jugendfreuden des Schlittenfahrens mit Hundegespannen wach wurden.
    Am späten Nachmittag ihres achten Reisetags blickten sie hinab auf die Terror. Selbst Asiajuq wirkte ängstlich und kleinlaut.
Puturaq hatte ihnen geschildert, dass das Dreistockboot im Eis vor einer Insel eingeschlossen war, die ungefähr fünf Meilen westlich von einer bestimmten Landspitze lag. Er und sein Jagdtrupp hatten drei Meilen nördlich über glattes Eis marschieren und dabei auch mehrere Inseln überqueren müssen. Dann sahen sie das Schiff von einer Klippe am Nordende der großen Insel.
    Natürlich hatte Puturaq nicht von Meilen, von einem Schiff oder einer Landspitze gesprochen. Der alte Mann hatte gesagt, dass das Dreistockhaus der kabloona mit dem Rumpf eines umiaqs soundso viele Wegstunden westlich von Tikiik lag, was so viel wie »Zwei Finger« bedeutete. Mit diesem Namen bezeichneten die Echten Menschen die beiden schmalen Landzungen an diesem Teil der Küste, die kurz vor der Nordseite einer großen Insel lagen.
    Crozier und seine Gruppe, der auch Inupijuk, der Jäger aus dem Süden, bis zum Ende die Treue hielt, waren von Tikiik aus nach Westen über unwegiges Eis marschiert. Nachdem sie zwei Inseln überquert hatten, erreichten sie ein viel größeres Eiland. Am Nordende dieser Insel fiel eine Steilklippe fast hundert Fuß tief zum Packeis ab.
    Zwei oder drei Meilen weit draußen erhoben sich in bedenklicher Schräglage die drei Masten der HMS Terror zu den niedrigen Wolken. Crozier hätte gern sein Sehrohr gehabt, obwohl er es eigentlich nicht benötigte, um die Masten seines alten Schiffs zu erkennen.
    Puturaq hatte recht gehabt. Das Eis auf diesem letzten Teil der Strecke war viel glatter als das zerklüftete Küsten- und Packeis zwischen dem Festland und den Inseln. Mit seinem Kapitänsblick sah Crozier auch, warum. Im Osten und Norden zog sich eine Gruppe kleinerer Inseln hin, die für diesen fünfzehn oder zwanzig Quadratmeilen großen Fleck eine Art natürlichen Schutzwall gegen die Nordwestwinde bildete.

    Wie die Terror hierher gelangt war, fast zweihundert Meilen südlich von der Stelle entfernt, wo sie neben der Erebus annähernd drei Jahre lang festgefroren war, war Crozier ein Rätsel.
    Doch dieses Rätsel würde er bald lösen.
    Die Echten Menschen und selbst die Gottwandler, die jahraus, jahrein im Schatten eines Ungeheuers lebten, näherten sich dem Schiff mit offensichtlicher Beklommenheit. Puturaqs Gerede über die bösen Geister hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Während des ganzen Weges murmelte Asiajuq Beschwörungen, Austreibungsgesänge und Schutzgebete, was der Beherztheit der Gruppe nicht unbedingt zuträglich war. Wenn ein Schamane nervös wurde, dann wurden alle nervös.
    Die Einzige, die an der Spitze des Zuges neben Crozier gehen wollte, war Silence, die beide Kinder trug.
    Die Terror krängte ungefähr zwanzig Grad nach backbord. Ihr Bug zeigte nach Nordosten, die Masten ragten nach Nordwesten, und die Steuerbordseite hing viel zu hoch über dem Eis. Erstaunlicherweise war auf der Backbordseite der Buganker ausgeworfen, dessen Trosse im dicken Eis verschwand. Crozier war überrascht, weil er die Seetiefe dort auf mindestens zwanzig Faden schätzte. Überall an den Nordseiten der Inseln gab es kleine Buchten, die Schutz geboten hätten. Ein umsichtiger Kapitän auf der Suche nach einem sicheren Liegeplatz hätte das Schiff wenigstens in die
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