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Techno der Jaguare

Techno der Jaguare

Titel: Techno der Jaguare
Autoren: Manana Tandaschwili , Jost Gippert
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zu denken, zum Beispiel, warum er nicht anrief – aber wo hätte er anrufen sollen? Also entschloss ich mich, mir diese Augenblicksaffäre zu gönnen. Aber ohne jegliche Körperlichkeit! Klar! Warum hätte ich einen dahergelaufenen Muslim auch beglücken sollen? »Oh«, meldete sich eine verderbte innere Stimme in mir. »Was denn?«, erwiderte ich. – »Ist das etwa nicht erlaubt?« Die Stimme verstummte, wenn auch nur vorübergehend, bis zum Abend, und als mein Kizilbasch beim Fischessen ein völlig unmögliches Thema anschnitt, brach es mir das Herz, weil sie sich auf einmal wieder meldete und erklärte: »Du bist ja eifersüchtig! Oh weh, du Elende!«
    Man brachte uns Fisch und Weißwein – den mag ich überhaupt nicht, aber egal. Ich presste mit Erfolg eine Zitrone über den Fisch, also ohne einen Tropfen ins Gesicht zu bekommen, und auf einmal fing er an, einfach so:
    »Nachdem meine Frau weg war« – oh nein! –, »habe ich beschlossen, eine Fischsuppe zu kochen und …«
    »Warum ausgerechnet eine Fischsuppe?« – Irgendetwas musste ich ja erwidern.
    »Sie kochte eine ausgezeichnete Fischsuppe, und ich dachte, dass ich das auch hinkriegen würde. Ich kaufte Fisch, zwei verschiedene Sorten, so viel wusste ich noch, dann überlegte ich: Was kann ein Finne beim Fischen alles dabeihaben? Fisch, wenn es hochkommt, Kartoffeln, eine Zwiebel vielleicht …«
    »Warum ein Finne?«
    »Meine Frau war Finnin.«
    Na bravo!
    »Ich habe also eine Fischsuppe gekocht, und sie war durchaus schmackhaft, aber gerade in diesem Augenblick rief meine Frau an und erkundigte sich nach irgendetwas, und ich fragte sie: ›Was passt eigentlich zu Fisch?‹ Sie sagte: ›Zitrone.‹ Ich nahm eine Zitrone, schnitt sie durch und warf sie in den Topf – die Suppe schmeckte ekelhaft. Überleg mal, wieso sollte ein finnischer Fischer auch ausgerechnet eine Zitrone dabeihaben?«
    Der Scharfsinn eines Mannes ist schon etwas ganz Besonderes.
    »Wo hast du deine Finnin denn aufgetrieben?«
    »Sie studierte an der Uni. Danach blieb sie zwei Jahre bei mir.«
    »Und dann hat sie dich verlassen und ist nach Finnland zurückgekehrt?«
    »Ja. Sie hat weder mich noch Asien ertragen können.«
    Der Fisch schmeckte hervorragend, von dieser Kaschemme hätte ich das eigentlich nicht erwartet. Wir schwiegen lange, hundert armenische Mädchen kamen zur Welt. Dieser gemeine Kerl sah mich einfach nur an und lächelte. Wann wollte er eigentlich dazu kommen, etwas zu essen? Keine Ahnung. Zum Glück war der Fisch schon entgrätet, sonst wäre mir mit Sicherheit alles im Hals stecken geblieben.
    »Ich habe sie sehr geliebt. Als ich sie kennenlernte, trug sie eine selbstgestrickte bunte Hose, weit, schlabberig und formlos …«
    Und war sehr süß, oder? Mann oh Mann, dachte ich, kram bloß kein Foto von ihr heraus, sonst ticke ich noch aus.
    »Ich hoffe, du willst mir kein Foto zeigen«, sagte ich. Er lachte sich schlapp: »Das war gut!« Er lachte weiter.
    »Ja, der Fisch ist gut«, murmelte ich. Er keuchte nur noch.
    »Du bist ein nettes Mädchen.«
    Das hättest du besser nicht gesagt!
    »Weiß ich, du bist auch in Ordnung.«
    Er sagte, er habe über Frauen aus meinem Land schon viel gehört, aber bis jetzt noch keine gesehen.
    Ich sagte: »Bestimmt war mindestens eine deiner Großmütter eine Georgierin.«
    »Nein«, lachte er. »Es ist viel wahrscheinlicher, dass dein Opa mein Landsmann war.«
    Das fand ich gar nicht witzig, und da ich ohnehin gereizt war, sagte ich, dass ich schlafen wolle und wir deswegen bald aufbrechen müssten. Ich fürchte, ich habe ihm den Abend vermasselt.
    »Bist du sicher, dass du schlafen gehen musst?«, fragte er.
    Und ich sagte: »Dringend!« Vielleicht werde ich einst für diese abgeschmackten Lügen bestraft, aber es ist ja nun wirklich genug, dass sie meine Urgroßmütter geschändet haben, diese Schweine.
    In der Nacht griff ich wieder nach dem Whiskey, man hatte sowohl die Bar als auch meinen Kühlschrank fleißig aufgefüllt, damit ich nicht nur alles ausgeben musste, was ich bei mir hatte, sondern mich sogar noch verschuldete – und ich gab mir noch den Rest: Ich inspizierte meinen Körper im Spiegel und entdeckte dabei natürlich nichts Gutes, nur einen frischen Streifen an der Hüfte. Ich begreife nicht, was meine Haut dazu bringt, zu reißen … Ich hätte doch mit diesem ehrlichen Mann schlafen sollen, warum diese Anwandlungen wegen der finnischen Exfrau und der nationalen Feindschaft? … Nationale
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