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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana
Autoren: Tathana Cruz Smith
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auf dem Balkon, bevor Stasow die Leine packte. Arkadi erhaschte einen Blick auf die Glatze des Leutnants, als er den Hund hochhob.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er zu den Damen. »Entschuldigen Sie vielmals. So ein Racker. Ah, hier kommt sein Leckerli.«
    »Eine Praline!«
    »Das verschlingt er in zwei Bissen. Sehen Sie?«
    »Was für ein komisches Kerlchen.«
    »Tja, meine Damen, die Pflicht ruft. Mein Freund und ich müssen Verbrechen bekämpfen.«
    Polo machte einen letzten Ausreißversuch zur Treppe hin, aber Stasow trat auf die Leine und holte ihn ein wie einen Fisch.
    »Au revoir.«
    »Au revoir.«
    Stasow kehrte zu seinem Auto zurück und hielt eine weitere Praline hoch. Polo war verzückt.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass der Hund keine Loyalität kennt«, meinte Arkadi.

31
    M axim wusste Bescheid. Er wusste es, sobald Arkadi und Tatjana seine Wohnung betraten. Die Situation hatte sich geändert. Er war vom Verehrer zum Verlierer geworden. All die Risiken, die er auf sich genommen hatte, waren wertlose Jetons. Er war ein Dichter ohne Worte.
    »Tut mir leid«, sagte Tatjana, obwohl sie es nicht so meinte. Nicht aufrichtig, dachte Maxim.
    »Sie waren bereits hier, Alexis Männer und die Polizei.«
    »Gut, dann werden sie vielleicht nicht so bald wiederkommen«, sagte Arkadi.
    »Wie geht es Ihrem Schenja?«, fragte Maxim. »Hat er inzwischen das Notizbuch entziffert?«
    »Das meiste. Das ›was‹ und das ›wo‹. Aber nicht genau ›wann‹. Wir glauben, es wird ein weiteres Treffen geben.«
    »All dieses Theater um ein Notizbuch mit unverständlichen Symbolen. Das verlangt nach einem Drink, nur habe ich keine Flasche mehr im Haus.« Maxim klapperte in einem leeren Getränkeschrank herum. »Und sie werden das Treffen ohne Grischa abhalten?«
    »Ist immer noch ein guter Plan«, sagte Tatjana. »Das Verteidigungsministerium stellt zwei Milliarden Dollar für die Instandsetzung eines U-Boots zur Verfügung. Die Hälfte wird tatsächlich an die Werft gehen, in der die Arbeiten ausgeführt werden. Kurischer Bernstein wird die andere Hälfte einsacken und wie eine Hochzeitstorte aufteilen. Jeder bekommt ein Stück. Freunde im Kreml, das Verteidigungsministerium, die Banken und die Mafia. Das war Grischas Genialität. Er war ebenso großzügig wie erfindungsreich.«
    »Also nur eine weitere Abzocke. Was ist daran so ungewöhnlich?«, fragte Maxim.
    »Dass es dabei um die chinesische Instandsetzung eines praktisch neuen russischen U-Boots geht, der Kaliningrad «, antwortete Tatjana. »Es ist neu, aber in so schlechtem Zustand, dass es nie richtig in Dienst gestellt werden konnte. Und jetzt wollen sie es auf die billige Tour in China reparieren lassen.«
    Maxim zuckte mit den Schultern. »Made in China. Was ist das heutzutage nicht?«
    »Das hier ist anders. Wenn so viel Geld zurückbehalten wird, könnte die Kaliningrad zu einer Katastrophe vom Ausmaß der Kursk werden. Sollte das geschehen, wird die Öffentlichkeit das nicht hinnehmen. Wenn diese Gauner überhaupt zu Fall gebracht werden können, dann durch diese Sache.«
    »Setzt euch doch«, sagte Maxim. »Entschuldigt die Kleiderhaufen. Kreative Menschen sind unordentlich. Ich muss hier doch noch etwas zu trinken haben. Ich sollte ein besserer Gastgeber sein. Tee? Kaffee?« Auf der Suche nach sauberen Tassen lief Maxim zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her. Im Wohnzimmer waren manche Regale leer, nicht sorgfältig ausgeräumt, sondern leer gefegt. Shakespeare, Neruda, Mandelstam lagen kreuz und quer durcheinander auf dem Boden, und Arkadi kam der Gedanke, dass Maxim seine Wohnung vermutlich seit Tagen nicht verlassen hatte.
    Tatjana merkte, dass sie nicht durchdrang. »Geht’s dir gut?«
    »Eher nicht.« Maxim schlug die Hände zusammen und betrachtete die beiden. »Ihr beide wart also auf der Flucht. Das ist immer romantisch.«
    »Sollen wir gehen?«
    »Nein, nein. Ihr seid meine Gäste. Ich habe mir vorgenommen, nicht bitter oder sarkastisch zu sein. Ich hätte es besser wissen müssen, als dich mit jemand so Leidvollem wie Ermittler Renko zusammenzubringen. Sagen Sie mir, Renko, ist Ihnen aufgefallen, dass unserer Tatjana das Pfeifen von Kugeln gefällt? Hat sie irgendwas getan, das Sie als ein wenig gewagt einstufen würden, wie sich einem fahrenden Zug in den Weg zu stellen? Impft sie sich regelmäßig mit Furcht? Ich sehe, Sie haben eine Schramme am Ohr. Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass es gefährlich sein könnte, neben einer Märtyrerin zu
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