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Taltos

Taltos

Titel: Taltos
Autoren: Steven Brust
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bleibst du hier. Solltest du jedoch deine Meinung ändern, der Pfad hier hinaus führt durch den Bogen, den deine Freunde kennen, dann nach links, am Zyklus vorbei und weiter geradeaus. Wenn du kannst, dann geh dorthin. Der Lord Morrolan wird feststellen, wie das Leben ihm beim Gehen entströmt, aber auch er kann es versuchen.
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    Vielleicht gelingt es euch, eine Leiche aus diesem Reich zu schaffen, und ihm damit die ewige Ruhe der Pfade ebenso zu verwehren wie das Leben, welches bereits vertan ist. Und jetzt verlaßt mich!«
    Wir sahen einander an. Ich war mittlerweile echt müde.
    Weil wir sonst keinen Weg wußten, gingen wir am Thron vorbei, bis wir auf den Bogengang stießen, unter dem wir Kieron den Eroberer das erstemal getroffen hatten. Nach rechts führte der Pfad zum Brunnen, der immer noch verlockend war, doch ich wußte es immer noch besser. Nach links war der Ausweg für Aliera und mich.
    Mit einigem Abscheu stellte ich fest, daß ich Morrolan eigentlich nicht hier zurücklassen wollte. Wenn Aliera diejenige gewesen wäre, die hätte bleiben müssen, vielleicht wäre es mir anders gegangen, aber das stand nicht zur Debatte. Wir warteten unter dem Bogen, und niemand bewegte sich.

    Ich machte die Kiste auf. Der Eindruck, den ich zuvor gehabt hatte, verstärkte sich noch. Vor mir lag ein Dolch in einer Hülle. Diese zu berühren war schon sehr schwer für mich. Mit dem Griff war es noch schlimmer.
    »Das Ding gefällt mir nicht, Boß.«
    »Mir auch nicht.«
    »Mußt du ihn schon ziehen, bevor du –«
    »Ja. Ich muß wissen, daß ich ihn benutzen kann. Jetzt sei still, Loiosh. Du machst es mir nicht leichter.«
    Ich zog den Dolch hervor, und er durchstieß meine Gedanken. Mir zitterten die Hände, also zwang ich mich, 237
    den Griff zu lockern. Dann versuchte ich, mir das Ding so anzusehen, als sei es bloß irgendeine Waffe. Die Klinge maß fünfundzwanzig Zentimeter und war einseitig geschärft. Die Spitze war ausreichend, aber die Schneide war besser. Er lag gut in der Hand, und man konnte nicht abrutschen. Das Heft war in mattem Schwarz lackiert, und -
    Morganti.
    Ich hielt ihn so lange fest, bis ich zu zittern aufgehört hatte. Nie zuvor hatte ich so etwas angefaßt. Um ein Haar hätte ich einen Eid geschworen, auch nie wieder einen zu berühren, aber ein unbedachter Eid ist unsinnig, also ließ ich es sein.
    Aber es war grauenhaft, das Ding zu halten, und ich habe mich tatsächlich nie daran gewöhnen können. Ich wußte, daß es welche gibt, die immer einen dabei haben, und ich fragte mich, ob sie durchgedreht waren oder einfach aus besserem Holz als ich geschnitzt.
    Ich zwang mich, ein paar Hiebe und Stiche zu üben.
    An einem Brett, das ich aufhängte, tat ich so, als würde ich auf jemand einstechen. Dabei hielt ich es die ganze Zeit mit links an die Wand über der Kommode. Die rechte Hand, die mit dem Messer, streckte ich so weit von der linken weg wie nur möglich. Wie albern das ausgesehen haben muß, aber Loiosh hat mich nicht ausgelacht. Ich spürte, daß er nur durch gewaltige Selbstbeherrschung nicht einfach aus dem Zimmer flog.
    Tja, genau wie ich.
    Ich trieb das Messer also in das Brett, etwa zwei Dutzend Male, und zwang mich dabei, so lange
    zuzuschlagen, bis ich das Ding als eine ganz normale Waffe ansehen konnte. So ganz ist mir das nie gelungen, aber ich bin auf dem richtigen Weg. Als ich es endlich 238
    wieder in die Scheide steckte, war ich schweißgebadet und mein Arm ganz steif und verkrampft.
    Ich legte es in die Kiste zurück.
    »Danke, Boß. Jetzt geht’s mir besser.«
    »Mir auch. Gut. Für morgen ist alles bereit. Ruhen wir uns ein bißchen aus.«

    Als wir so dastanden, sagte ich zu Aliera: »Sagt doch mal, was ist denn an Euch so besonders, daß Ihr diesen Ort verlassen könnt und Morrolan nicht.«
    »Das liegt im Blut«, gab sie zurück.
    »Meint Ihr das wirklich oder ist das so eine
    Redewendung?«
    Sie sah mich spöttisch an. »Nimm es wie du willst.«
    »Ähmmmm, möchtet Ihr es mir nicht genauer
    erklären?«
    »Nein«, sagte Aliera.
    Ich zuckte die Achseln. Wenigstens hatte sie nicht gesagt, daß sie mir keine Erklärung schuldete. Langsam hing mir dieser Satz nämlich zum Hals heraus. Vor uns stand eine Mauer, und nach rechts und links erstreckten sich Pfade. Ich schaute nach rechts.
    »Morrolan«, sagte ich, »was weißt du über das
    Wasser, das Verra getrunken und Aliera eingeflößt hat?«
    »Nur wenig«, antwortete er.
    »Glaubst du, es könnte uns helfen, den
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