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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition)
Autoren: Anne Frank
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nämlich, dass sie mit anderen Jungen ginge, und habe sie auch danach behandelt. Aber das war überhaupt nicht wahr. Und nun sagte mein Onkel, ich müsste Ursul um Entschuldigung bitten. Aber das wollte ich natürlich nicht, und darum habe ich Schluss gemacht. Doch das war nur einer von vielen Gründen.
    Meine Großmutter will nun, dass ich zu Ursul gehe und nicht zu dir. Aber der Meinung bin ich nicht und habe es auch nicht vor. Alte Leute haben manchmal sehr altmodische Ansichten, aber danach kann ich mich nicht richten. Ich habe meine Großeltern zwar nötig, aber sie mich auch, in gewisser Weise. Mittwochs abends habe ich immer frei, weil meine Großeltern glauben, ich gehe zum Schnitzen, aber ich gehe zum Treffen der Zionistischen Partei. Das darf ich eigentlich nicht, weil meine Großeltern sehr gegen den Zionismus sind. Ich bin zwar auch nicht fanatisch, aber ich interessiere mich dafür. In der letzten Zeit ist dort allerdings so ein Durcheinander, dass ich vorhabe auszutreten. Deshalb gehe ich nächsten Mittwoch zum letzten Mal hin. Also habe ich mittwochs abends, samstags abends und sonntags nachmittags und so weiter Zeit.«
    »Aber wenn deine Großeltern das nicht wollen, solltest du es nicht hinter ihrem Rücken tun.«
    »Liebe lässt sich nun mal nicht zwingen.«
    Dann kamen wir an der Buchhandlung Blankevoort vorbei, und da stand Peter Schiff mit zwei anderen Jungen. Es war seit langem das erste Mal, dass er mich grüßte, und ich freute mich wirklich sehr darüber.
    Montagabend war Hello bei uns zu Hause, um Vater und Mutter kennen zu lernen. Ich hatte Torte und Süßigkeiten geholt. Tee und Kekse, alles gab’s. Aber weder Hello noch ich hatten Lust, ruhig nebeneinander auf den Stühlen zu sitzen. Wir sind spazieren gegangen, und er lieferte mich erst um zehn nach acht zu Hause ab. Vater war sehr böse, fand das keine Art, dass ich zu spät heimkam. Ich musste versprechen, in Zukunft schon um zehn vor acht drinnen zu sein. Am kommenden Samstag bin ich bei Hello eingeladen.
    Wilma hat mir erzählt, dass Hello neulich abends bei ihr war und sie ihn fragte: »Wen findest du netter, Ursul oder Anne?« Da hat er gesagt: »Das geht dich nichts an.«
    Aber als er wegging (sie hatten den ganzen Abend nicht mehr miteinander gesprochen), sagte er: »Anne! Tschüs, und niemandem sagen!« Schwupp, war er zur Tür draußen.
    Man merkt, dass Hello in mich verliebt ist, und ich finde es zur Abwechslung ganz schön. Margot würde sagen, Hello ist ein annehmbarer Junge, und das finde ich auch. Sogar mehr als das. Mutter lobt ihn auch über die Maßen. »Ein hübscher, höflicher und netter Junge.« Ich bin froh, dass er der Familie so gut gefällt, nur meinen Freundinnen nicht, die findet er sehr kindlich, und da hat er Recht. Jacque zieht mich immer mit ihm auf. Ich bin wirklich nicht verliebt, oh nein, aber ich darf doch wohl Freunde haben. Niemand findet was dabei.
    Mutter will immer wissen, wen ich später heiraten möchte. Aber sie rät bestimmt nie, dass es Peter Schiff ist, weil ich es, ohne mit der Wimper zu zucken, immer ableugne. Ich habe Peter so gern, wie ich noch nie jemanden gern gehabt habe. Und ich rede mir immer ein, dass Peter, nur um seine Gefühle für mich zu verbergen, mit anderen Mädchen geht. Vielleicht denkt er jetzt auch, dass Hello und ich ineinander verliebt sind. Aber das ist nicht wahr. Er ist nur ein Freund von mir, oder, wie Mutter es ausdrückt, ein Kavalier.
    Deine Anne

Sonntag, 5. Juli 1942
    Beste Kitty!
    Die Versetzungsfeier am Freitag ist nach Wunsch verlaufen, mein Zeugnis ist gar nicht so schlecht. Ich habe ein Ungenügend in Algebra, zwei Sechsen [3]   , zwei Achten und sonst alles Siebenen. Zu Hause haben sie sich gefreut. Aber meine Eltern sind in Notenangelegenheiten sowieso anders als andere Eltern. Sie haben sich nie etwas aus guten oder schlechten Zeugnissen gemacht und achten nur darauf, ob ich gesund bin, nicht zu frech und Spaß habe. Wenn diese drei Dinge in Ordnung sind, kommt alles andere von selbst.
    Ich bin das Gegenteil, ich möchte nicht schlecht sein. Ich bin unter Vorbehalt ins Lyzeum aufgenommen worden, ich hätte eigentlich noch die siebte Klasse in der Montessorischule bleiben sollen. Aber als alle jüdischen Kinder in jüdische Schulen mussten, hat Herr Elte mich und Lies Goslar nach einigem Hin und Her unter Vorbehalt aufgenommen. Lies ist auch versetzt worden, aber mit einer schweren Nachprüfung in Geometrie.
    Arme Lies, sie kann zu Hause fast nie
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