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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01
Autoren: Christoph Hardebusch
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Er ist immer so ein Griesgram. Ich glaube, ich habe ihn noch niemals lächeln sehen!«
    »Die Zunge ist die Übersetzerin des Herzens. Ein Lachen, das nicht von Herzen kommt, ist wenig wert. Und welches Herz kann in dieser Welt schon lachen?«
    »Er redet dauernd in solchen Rätseln«, fuhr Rahel fort und drückte sanft Jaquentos Kinn herum, sodass er sie ansah. Ihre Augen waren blau, jedoch nicht von einem hellen Blau, wie man es im Norden fand, sondern blau wie die See, dort wo sie unendlich tief ist und alle Geheimnisse der Welt in sich birgt. Ebenso wie das Meer wirkten auch Rahels Augen kühl und undurchdringlich, unbegreiflich, doch dabei nur allzu nah an der Grenze des Verstehens, als ob man nur zugreifen müsse, um alle Rätsel zu entwirren. Sie war vermutlich ein wenig älter als er selbst und hatte vielleicht dreißig Winter gesehen, obwohl er es schwer fand, ihre Jahre zu schätzen.
    »Du gefällst mir, Jaquento«, wiederholte sie leise, »auch wenn ich nicht sagen kann, warum. Von deiner Sorte haben wir hier mehr als genug: abgebrannt, hager, mit mehr Stolz als Verstand und ihrer Ehre als Letztem, was ihnen geblieben ist. Früher oder später findet man die meisten mit dem Bauch nach oben im Hafen treibend, mit einem hübschen Grinsen auf der Kehle.«
    Gebannt lauschte Jaquento ihren Worten. Sein Blick wanderte über die winzige Narbe an ihrem linken Mudwinkel, die ihr den Ausdruck eines ständigen Lächelns bescherte, über die gebräunte Haut und wurde doch immer wieder von ihren Augen gefangen. Ein Schauder durchlief seinen Leib, als er erkannte, wie gut ihre Worte auf ihn zutrafen. Als wisse sie alles über mich .
    »Ich weiß wirklich nicht, warum, aber ich möchte dir ein Angebot machen. Heuer bei uns an. In unserer Mannschaft ist noch Platz für zwei Hände, die zupacken können. Seemann mag nicht das beste Los sein, aber es ist besser, als hier am Ende der Welt in diesem schmutzigen Loch zu verfaulen.«
    »Anheuern? Auf Eurem Schiff?«, fragte Jaquento ungläubig.
    »Natürlich! Wo denn sonst?« Wieder dieses Lachen, das Jaquento bereits jetzt mehr störte, als er sich selbst eingestehen mochte.
    »Ich bin kein Seemann, Meséra«, protestierte der junge Mann, nur um einzuräumen: »Mag sein, dass ich mir die Überfahrt als solcher verdient habe, aber …«
    »Nichts aber«, unterbrach ihn Rahel rüde. »Ich kann den Lockruf der See schon hören, kann sehen, wie er seine Widerhaken in deine Seele geschlagen hat. Das Meer ist deine Bestimmung, Jaquento. Und das ist gut so, denn hier gibt es nichts anderes. Du kannst in der ewigen Hitze und Schwüle der Inseln verschimmeln, oder du fährst zur See!«
    »Ich danke Euch für dieses Angebot«, erwiderte Jaquento steif und erhob sich, »aber ich fürchte, ich kann es nicht annehmen. Ich danke Euch für den Wein und bitte Euch, mich jetzt zu entschuldigen.«
    Seine Verbeugung war förmlich und distanziert. Für einen Moment wirkte Rahel zornig, doch der Augenblick verging wie eine Wolke, die kurz die Sonne verdeckt hatte und dem Schein nun nicht mehr im Wege war. Mit einer einladenden Geste wies sie auf den Schemel: »Es war nur ein Angebot, Freund Jaquento. Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Aber deswegen musst du uns nicht gleich verlassen! Setz dich, trink noch einen Wein. Vielleicht magst du eine Runde oder zwei mitspielen?«
    Unsicher blickte Jaquento sie an, doch er konnte in ihrem Gesicht kein Arg erkennen. Langsam setzte er sich wieder.
    »Ich wollte keinesfalls unhöflich sein«, begann er, doch Rahel winkte ab: »Keine Sorge; es gibt keinerlei Grund, sich zu entschuldigen.«
    Mit einer Handbewegung bestellte sie mehr Wein und begann von einer ihrer Reisen zu berichten, deren Erlebnisse so unglaublich erschienen, dass Jaquento annahm, dass es sich um reinstes Seemannsgarn handelte.
    »… und dann, mein Freund aus der Alten Welt, erschien ganz plötzlich der Schamane der Paranao und mit ihm alle Geister seiner Ahnen. Wir haben alles stehen und liegen gelassen und sind gerannt wie die Hasen. Und das ganze schöne Gold liegt noch immer in der Flussmündung und wartet darauf, abgeholt zu werden. Wenn es die Geister nicht mitgenommen haben, wer weiß?«
    Jaquento musste grinsen; der schwere Rote stieg ihm allmählich zu Kopf, und Rahel hatte ein Talent dafür, Geschichten zu erzählen, das musste man ihr lassen. Einen Moment lang überlegte er, ob ihr wohl daran gelegen wäre, heute Nacht sein Lager zu teilen, aber ein Blick auf die Waffen
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