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Street Art Love (German Edition)

Street Art Love (German Edition)

Titel: Street Art Love (German Edition)
Autoren: Katrin Bongard
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Kruger stellt einen Hocker in die Mitte des Raumes und fordert uns auf, uns mit unseren Malblöcken und Bleistiften im Kreis darum herumzusetzen. Alle tuscheln und lachen. Von einem Modell allerdings keine Spur.
    Frau Kruger schaut aus dem Fenster. »Tja, er hat sich wohl verspätet. Ist eben ein Künstler …«
    »Hallo!«
    Frau Kruger dreht sich erfreut zur Tür.
    »Ach, da bis du ja!«
    Doch es ist nicht das Modell, sondern Charly.
    »Wir haben schon gewartet. Du kannst dich gleich hier hinter dem Regal ausziehen.«
    Charly starrt Frau Kruger verwirrt an. Ich muss grinsen. Ich bin vermutlich die Einzige, die weiß, dass Charly nicht das Modell ist.
    »Was ist?«
    Charly sieht in die Runde, sein Blick bleibt an mir hängen.
    »Hi, Sophie, was geht ab?«
    Ich lächele sehr freundlich zurück. »Wir warten auf ein Aktmodell, das gleich kommt.«
    Frau Kruger begreift, dass sie sich geirrt hat. »Oh, tut mir leid. Du bist neu!? Willkommen in unserer Kunst- AG , ich bin Frau Kruger.« Sie reicht Charly einen Flyer. »Wir machen demnächst eine Exkursion …«
    Ihr Handy klingelt, sie geht ran und wendet uns den Rücken zu. Natürlich verstehen wir trotzdem jedes Wort.
    »Nein, in Ordnung, kein Problem, dann machen wir das ein anderes Mal!« Sie schaltet ihr Handy aus und dreht sich zu uns zurück »Ihm ist etwas dazwischengekommen, sehr schade.«
    Wir nicken.
    Charly steht immer noch vorne. Frau Kruger überlegt einen Moment und lächelt ihn dann freundlich an. »Aber vielleicht könntest du trotzdem …«
    Charlys Blick wird panisch, und ich muss breit grinsen.
    »Nicht nackt! Natürlich …«, ergänzt Frau Kruger eilig. Charly sieht sehr erleichtert aus. Trotzdem tut er cool.
    »Echt nicht?«
    Er hebt sein T-Shirt. Wir starren auf den Balken Haut über seiner Hose und seine durchtrainierten Bauchmuskeln.
    »Nein, nein«, sagt Frau Kruger nun wirklich leicht panisch und schiebt ihn schnell auf den Hocker.
    Charly setzt sich so, dass er mir genau gegenübersitzt. Er hat schnell eine Position gefunden, erst zwinkert er mir zu, dann erstarrt er professionell. Es ist wie immer mit ihm. Erst macht er mich an, dann tut er so, als wäre ich Luft für ihn. Nun ja, vielleicht merkt er, dass er bei mir mit seinen Flirttricks nicht durchkommt. Oder er findet dich blöd und will dich nur provozieren , sagt eine zweifelnde Stimme in mir. Aber ich weiß, wie ich sie abstelle. Ich nehme meinen Bleistift. Der Trick beim Zeichnen ist, dass man nur auf die Linien und Flächen achtet und vergisst, dass man einen Menschen abzeichnet. Bei Charly ist das nicht so einfach. Er regt mich auf, er fordert mich heraus. Obwohl er ganz ruhig sitzt, eigentlich so, als ob er das öfter machen würde.
    Ich versuche, nicht auf sein Grinsen zu achten oder darüber nachzudenken, dass er nachts sprayt, seine Hände sind schon wieder voller Lackfarbe. Ich achte nur auf die Linie seiner Schulter, die locker auf seinen Oberschenkeln aufliegenden Arme, den Bogen seiner Beine. Und plötzlich bin ich wieder in meiner Welt, zeichne schnell und flüssig, ohne noch etwas anderes wahrzunehmen. Ich wache auf, als sich Frau Kruger von hinten über mich beugt.
    »Sehr schön, Sophie.«
    Charly bewegt sich zum ersten Mal. Fast kommt es mir vor, als wolle er aufspringen und gucken. Ich sehe mir die Zeichnung auch an, zum ersten Mal mit einem Blick von außen. Sie ist gut geworden. Das leichte Lächeln von Charly, seine wilden Haare, die abgefetzten Turnschuhe, ich habe ihn genau getroffen.
    Die anderen kommen und wollen die Zeichnung auch sehen. Ich bin gut im Zeichnen, aber eine so gute Zeichnung gelingt auch mir selten. Schließlich springt Charly ungeduldig auf, doch bevor er einen Blick auf die Zeichnung werfen kann, blättere ich die Seite im Block um und stehe auf. Die Zeit ist sowieso gerade um.
    »Lass mal sehen!«, sagt er neugierig.
    »Ich muss los«, sage ich entschuldigend und schaue ihn nicht an. Natürlich ist das nicht der Grund.
     
    Wenn ich Kunst- AG habe, ist Max beim Fußball. Meine Eltern holen ihn an dem Tag vom Sportplatz ab. Es ist der einzige Tag in der Woche, an dem Max nicht auf mich wartet, wenn ich aus der Schule komme. Manchmal fehlt er mir, ich bin nicht gerne allein im Haus, aber heute schon. Ich gehe schnell in mein Zimmer und schließe sogar ab. Ich will allein sein. Ich stelle mein iPhone in meine Boombox und wähle einen Musiktrack aus. Dann setze ich mich auf mein Bett und hole die Zeichnung von Charly heraus und betrachte sie
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