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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten
Autoren: Sergej Lukianenko
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Schuld ist groß, aber wir haben keine Alternative gesehen.«
    Nein, Erleichterung verspürte ich nach diesen Worten, die die Situation radikal änderten, keine.
    Und das war womöglich der einzige Grund, weshalb ich mir selbst noch in die Augen blicken durfte.
    »Kommandant, ich bitte die Rasse der Alari um Verzeihung«, erwiderte ich. »Ich trauere um diejenigen, die mir zum Opfer gefallen sind.«
    Der Alari schwieg. Wir mochten beide noch so unterschiedlichen ethischen Prinzipien anhängen – aber auch er musste die toten Mitglieder seiner Mannschaft betrauern. Andernfalls würde er kaum diese Flotte kommandieren. Die Macht gibt einem das Recht, Opfer anzunehmen und zu verlangen, aber sie erspart einem nicht den Schmerz. Das gilt natürlich nur, sofern es sich tatsächlich um Macht handelt und nicht um Tyrannei.
    »Aber ihr Opfer war doch nicht vergebens?«, fragte der Kommandant. »Du bist in der Welt der Geometer gewesen?«
    »Ja.« Ich zeigte mit der Hand auf das Schiff der Geometer. »Das ist ein anderes Schiff. Das, mit dem ich von hier weggeflogen bin, ist auseinandergenommen und vernichtet worden.«
    »Warum das?«
    »Weil es in Gefangenschaft gewesen ist.«
    Danilow sah Mascha triumphierend an, und mich beschlich der Verdacht, sie hatte Rimers Schiff eigentlich mit einer stattlichen Zahl von Wanzen ausstatten wollen.
    »Nur gut, dass du sein Schicksal nicht geteilt hast«, bemerkte der Kommandant.
    »Das hat mich einige Mühe gekostet«, erwiderte ich.
    Der Alari schüttelte den Kopf. Vermutlich wollte er die Geste der Menschen nachahmen, was jedoch bei seinem Mäusekopf komisch wirkte.
    »Kann die Zivilisation der Geometer ein Verbündeter der Schwachen Rassen werden?«, wollte er wissen.
    Gute Frage.
    Die beste Frage der Saison …
    »Sie kann ein neuer Herr für die Schwachen Rassen werden«, antwortete ich. »Sie würde uns jedoch völlig in sich aufsaugen. Sie würde uns ihre Ideologie schenken. Sie würde uns in ihren Kreis aufnehmen.«
    »Es ist unmöglich, die Ideologie einer entwickelten Gesellschaft mit Gewalt zu verändern«, hielt der Alari dagegen.
    »Wir würden ja auch nicht lange eine entwickelte Gesellschaft bleiben«, teilte ich ihm mit.
    Die schwarzen Mäuseaugen bohrten sich in mich hinein. Anschließend sah der Kommandant die versammelten Alari an, die daraufhin auseinanderstoben. Innerhalb von zehn Sekunden waren alle wie weggeblasen.
    »Gehen wir, Pjotr.« Der Alari streckte die Pfote aus und berührte mich leicht an der Seite. »Der Hangar ist nicht der Ort für dieses Gespräch. Der Vortragsraum wartet auf uns.«
    »Der Vortragsraum? Oder das Verhörzimmer?«
    »Je nach den Umständen.«
    Nach der Größe des »Vortragsraums« zu urteilen, mussten hier ab und zu Elefanten den Mäusen Rede und Antwort stehen.
    Die unebenen Wände, die typisch für die alarischen Schiffe waren, zeigten eine trüb-orangegelbe Farbe. Die wenigen Beleuchtungssegmente flackerten mit trübem Licht. Sobald ich halb sitzend, halb liegend in einem schrägen, weichen Sessel Platz genommen hatte, wurde hinter mir die Luke geschlossen. Ein wenig erinnerte das schon an ein Gefängnis.
    »Petja«, erklang von irgendwoher Danilows Stimme, »die Alari bitten um die Erlaubnis, das Gas ausströmen zu lassen.«
    »Was für Gas?«
    »Einen harmlosen Tranquilizer. Er hilft dir, dich zu erinnern. Das ist absolut ungefährlich.«
    Sonderlich verlockend klang es nicht. Trotzdem zuckte ich mit den Schultern und sah hoch zur Decke. »Meinetwegen.«
    Es gab weder Geräusche noch Gerüche. Mir wurde einfach schwindlig, und das Licht schien mir greller.
    Ich spürte nichts, was mich an ein Narkotikum denken ließ. Wahrscheinlich hatten sich die Alari getäuscht und ihre Tranquilizer wirkten bei Menschen gar nicht.
    Nach einer Weile fing ich an, mich zu langweilen. Wie lange lag ich hier eigentlich schon? Eine Minute? Zwei? Jedenfalls verdammt lange! Dabei durften wir unsere wertvolle Zeit doch nicht verplempern! Außerdem würde mich dieses Nichtstun noch umbringen! Nervös herumzappelnd, kämpfte ich gegen den Wunsch an, aufzustehen und aus dem Zimmer zu gehen.
    »Pjotr.« Ich erkannte die Stimme des Kommandanten. »Erzähl uns, was nach deiner Flucht passiert ist! Von dem Moment an, als du ins Schiff eingestiegen bist.«
    Seine Frage baute meine Nervosität schlagartig ab. Endlich kriegte ich was zu tun!
    »Ich hieß Nik Rimer«, berichtete ich. »Das hat mir das Schiff mitgeteilt, indem es auf eine nonverbale
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