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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Autoren: Armistead Maupin
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willst, Schätzchen.«
    Kaum war Connie in der Disco verschwunden, setzte sich ein langhaariger Typ in einem griechischen Bauernhemd neben Mary Ann auf das Sofa. »Stör ich, oder kann ich mich setzen?«
    »Sicher … Ich meine, nein.«
    »Tanzen ist wohl nicht dein Ding, was?«
    »Na ja, nicht gerade im Moment.«
    »Stehst du dann mehr auf Geistiges?«
    »Ich weiß nicht, was …«
    »Was bist du für ein Zeichen?«
    Am liebsten hätte Mary Ann gesagt: »Ein Stoppschild.« Sie sagte: »Rate mal.«
    »Mhhmm … Du stehst auf Spielchen. Okay … Ich würde sagen, du bist Stier.«
    Das saß. »Stimmt … Wie hast du das gemacht?«
    »Ganz einfach. Stiere sind grauenhaft stur. Es gibt keinen, der dir freiwillig verrät, was er für ein Sternzeichen ist.« Er beugte sich so weit vor, daß Mary Ann sein Patschuli riechen konnte, und sah ihr direkt in die Augen. »Doch unter der rauhen Schale des Stiers schlägt das Herz eines hoffnungslosen Romantikers.«
    Mary Ann rückte sachte ein Stück zur Seite.
    »Und?« sagte der Mann.
    »Was, und?«
    »Du bist doch eine Romantikerin, oder? Du magst Erdfarben und neblige Abende und Lina-Wertmüller-Filme, und bei der Liebe läßt du Kerzen mit Zitronenduft brennen.« Er griff nach ihrer Hand. Sie zuckte zurück. »Keine Angst«, sagte er sanft. »Ich mach dir noch keinen Antrag. Ich will mir bloß deine Herzlinie ansehen.«
    Er ließ seinen Zeigefinger über Mary Anns Handfläche gleiten. »Sieh dir mal deinen Ansatz an«, forderte er sie auf. »Er liegt genau zwischen Jupiter und Saturn.«
    »Was bedeutet das?« Mary Ann blickte auf seinen Finger. Er lag zwischen ihrem Mittel- und ihrem Zeigefinger. »Das bedeutet, daß du ein sehr sinnliches Wesen bist«, erklärte der Typ. Er ließ seinen Finger vor und zurück gleiten. »Das stimmt doch, oder? Du bist doch ein sehr sinnliches Wesen?«
    »Na ja, ich …«
    »Weißt du, daß du genau wie Jennifer O’Neill aussiehst?«
    Mary Ann stand ruckartig auf. »Nein, aber wenn du noch ein bißchen mehr schleimst …«
    »Aber, aber, Mädchen. Schon gut, schon gut. Ich dräng mich nicht auf …«
    »Gut. Dann geh ich nach nebenan. Weidmannsheil.« Sie ging in die Disco, um ihre Freundin zu suchen. Connie befand sich im Auge des Hurrikans und tanzte mit einem Schwarzen, der knielange Lurexhosen und Glitzerschuhe mit Keilabsätzen trug.
    »Was ist los?« fragte die Stewardeß, als sie an den Rand der Tanzfläche gewackelt kam.
    »Ich bin geschafft. Kann ich die Wohnungsschlüssel haben?«
    »Stimmt was nicht, Schatz?«
    »Nein, nein. Ich bin bloß müde.«
    »Ein heißer Typ?«
    »Nein, bloß … Könnte ich bitte die Schlüssel haben, Connie?«
    »Hier hast du die Zweitschlüssel. Und träum was Schönes.«
    Als Mary Ann in den 41er Bus stieg, wurde ihr schlagartig klar, warum Connie immer ein zweites Paar Schlüssel dabeihatte.
     
    Mary Ann sah sich Mary Hartman, Mary Hartman an, drehte dann den Fernseher ab und schlief ein.
    Es war nach zwei, als Connie nach Hause kam.
    Sie war nicht allein.
    Mary Ann drückte sich gegen die Rückenlehne des Sofas, steckte den Kopf unter die Decken und stellte sich schlafend. Connie und ihr Gast stolperten auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer.
    Die Stimme des Mannes klang etwas whiskeyverwaschen, doch Mary Ann wußte sofort, wer er war.
    Er fragte nach Kerzen mit Zitronenduft.
Ein neues Zuhause
    Mary Ann schlich sich kurz vor Morgengrauen aus der Wohnung. Ihr grauste vor der Aussicht auf ein Trix-Frühstück zu dritt.
    Sie wanderte durch die Straßen des Marina-Viertels, hielt Ausschau nach »Zu vermieten« -Schildern und aß später im International House of Pancakes ein enormes Frühstück.
    Um Punkt neun war sie die erste Kundin eines Maklerbüros an der Lombard Street.
    Sie wollte eine schöne Aussicht, ein Sonnendeck und einen Kamin für unter hundertfünfundsiebzig Dollar.
    »Ogottogott«, sagte die Maklerin. »Für ein Mädchen ohne Job sind Sie ja ganz schön wählerisch.« Sie bot Mary Ann ein »hübsches Studio in Lower Pacific Heights mit voll elektrifizierter Küche, Spannteppich und Teilausblick auf das Fillmore Auditorium« an. Mary Ann sagte nein.
    Am Schluß blieben ihr drei Möglichkeiten.
    Zur ersten gehörte eine sittenstrenge Vermieterin, die wissen wollte, ob Mary Ann »Marihuana nahm«.
    Die zweite war eine rosa Stuckfestung an der Upper Market mit Goldflitter im Deckenputz.
    Die letzte lag auf dem Russian Hill. Mary Ann kam um halb fünf dort an.
    Das Haus stand an der Barbary Lane,
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