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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste
Autoren: Ingeborg Bayer
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Geld, das er immer nach Hause brachte, aber das war auch schon alles. Ich wusste bis vor kurzem nicht einmal, bei welcher Bank er es aufbewahrte.«
    »Aber Ihr wusstet doch sicher, woher sein Geld stammte«, unterbrach sie Crestina.
    »Jajaja«, gab die Frau widerwillig zu, »natürlich weiß ich es inzwischen, damals selbstverständlich nicht. Damals hatte ich keinerlei Ahnung, wie man dieses große Geld macht. Aber …«, sie stockte, »… nun weiß ich es natürlich.«
    Sie machte eine Pause.
    »Sie haben ja keine Seele, die Sklaven«, fuhr sie entschieden fort und ließ für einen winzigen Augenblick ihre Finger in Ruhe, vermutlich, damit der Satz seine volle Wirkung entfalten konnte.
    Crestina blickte zur Seite, überlegte, ob sie ihre unerwartete Besucherin am besten gleich vor die Tür setzen sollte.
    »Sie haben keine Seele«, wiederholte die Frau, diesmal um eine Spur lauter. »Ihr wisst das doch sicher?«
    Crestina schüttelte den Kopf.
    »Wie kommt Ihr denn auf so etwas?«
    »Da gibt es einen Bischof in Bologna, der hat es gesagt. Und wenn ein Bischof so etwas sagt, dann wird es ja wohl stimmen. Oder was meint Ihr dazu?«
    »Ich meine, dass es schlimm ist, wenn ein Bischof so etwas von sich gibt«, sagte Crestina und machte eine Bewegung, als wolle sie aufstehen.
    »Nein, nein, bitte, lasst mich die Geschichte zu Ende erzählen«, sagte die Frau erschrocken, »es geht ja doch nicht um die Sklaven, es geht um Euren Vetter.«
    »Und wie um alles in der Welt soll dieser Vetter Euren Mann umgebracht haben?«, fragte Crestina ungläubig. Sie konnte sich zwar eine Fülle von Untaten von Bartolomeo vorstellen, aber bestimmt keinen Mord.
    Die Frau zögerte.
    »Er ist ja auch fort.«
    »Was heißt das: ›Er ist fort‹?«
    »Nun, sein Schiff ist fort, er ist fort, die meisten seiner Kleider sind fort. Und sein Tresor ist offen, leer. Man sucht ihn ja schon seit einigen Tagen, Euren Vetter.«
    »Ich denke, er wollte nach Jamaika«, sagte Crestina lahm.
    »Glaubt Ihr im Ernst, dass dieser Mann Euch je gesagt hat, was er tun wollte?«, spottete die Frau. »Jamaika, Barbados, Bonny in Afrika. Es hätte alles auch auf dem Mond sein können, was er den Leuten erzählte.«
    »Und wie fiel der Verdacht auf ihn?«
    »Nun, es war ein Mord, wie er – unzählige Male in dieser Stadt stattfindet: Man mordet in der bautta . Beide trugen eine bautta , so hat man sie gesehen. Und der eine hat den andern erstochen. Bei Nacht. Auf einer Brücke in Dorsoduro.«
    »Und dabei hat man Bartolomeo erkannt?«, zweifelte Crestina. »Durch die Maske hindurch?«
    »Nein, nicht durch die Maske hindurch«, wehrte die Frau ab. »Natürlich nicht. Aber jemand bat das Ganze beobachtet.«
    »In der Nacht?«
    »Es war immerhin Vollmond. Und schließlich ist der Tresor leer, im Palazzo.«
    Crestina schüttelte wieder den Kopf.
    »Ein leerer Tresor hat nicht unbedingt etwas mit einem Mord zu tun. Was sagen denn die Behörden dazu, die Polizei?«
    Die Frau lachte schrill.
    »Die Behörden? Lebt Ihr nicht um einiges länger in dieser Stadt als ich? Wo gibt es denn eine Polizei in dieser Stadt? Ein paar arsenalotti , falls es wirklich nicht anders geht. Aber ansonsten: Die Polizei sind doch wir, oder etwa nicht?«
    »Welches Motiv sollte Bartolomeo denn gehabt haben, Euren Mann umzubringen?«
    Die Frau plusterte die Backen auf.
    »Motiv? Euer Vetter war Sklavenhändler, mein Mann ebenfalls. Verschiedene Geschäfte haben sie miteinander abgewickelt. Und mit Denunziationen hatten sie beide zu tun. Was weiß ich, was sich da alles abspielte zwischen ihnen. Manchmal stritten sie, dann musste ich aus dem Zimmer.«
    Sie hielt kurz inne.
    »Vielleicht hatte die Sache ja auch etwas mit Kaffee zu tun«, fuhr sie dann zögernd fort.
    »Mit welchem Kaffee?«, fragte Crestina irritiert.
    Das Gesicht der Frau verzog sich zu einem leichten Lächeln.
    »Mit den geschmuggelten Kaffeesäcken. Ihr habt doch in Konstantinopel gelebt, Euch müsste das doch bekannt sein, oder etwa nicht?«
    »Mein Mann handelte nicht mit Kaffee. Sein Hauptberuf war die Reederei, und als Fernkaufmann hat er sich nur wenig um irgendwelche Waren gekümmert. Außer natürlich um Salz.«
    »Ich dachte, dass dieser Trick schon überall bekannt wäre: Die Schmuggler durchliefen in Trauerkleidung und mit wenig Gepäck – das ordnungsgemäß geprüft worden war, die zwei Pfund Kaffee, die sie bei sich hatten, ordentlich verzollt – den Zoll, und erklärten mit trauriger Miene, dass in dem
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